Die Autorin sitzt entspannt auf dem Boden, angelehnt an eine Betonwand, und neben ihr steht ein Kaffeebecher. Das Wetter ist sonnig, sie wirkt sehr entspannt. Über dem Foto ein blaues Banner mit der Schrift "Blogparade: Warum ich lange das Gefühl hatte, falsch zu sein, und was ich heute denke"

Blogparade: Warum ich lange das Gefühl hatte, falsch zu sein, und wie ich heute denke

Daniela Brandls Blogparade Warum ich lange dachte, dass ich falsch bin lockt mich, auch wenn sie eigentlich schon zu Ende ist. Das Thema beschäftigt mich schon mein Leben lang und hat häufig dafür gesorgt, dass ich mich sehr ausgeschlossen, falsch und einsam fühlte. Dank emsiger und unablässiger Selbstreflektion und bin ich heute eine ganze Strecke weitergekommen mit diesem Thema. Einen kleinen Auszug präsentiere ich dir im Artikel.

Das Kind ist zu groß, zu schlau, zu fremd, zu vorlaut, zu anders

Schon als Kind hatte ich das Gefühl, ich sei falsch. Ich hinterfragte gründlich, wusste vieles und wirkte deswegen häufig besserwisserisch. Als ich in die Schule kam, konnte ich schon lesen und ein wenig rechnen und kam beim Melden nur dran, wenn es sonst niemand wusste. Zum Glück wurde ich nach dem ersten Halbjahr in die zweite Klasse versetzt, da war ich artgerecht aufgehoben, zumal mein bester Freund Frank-Dieter mit mir in der Klasse war.

Ich eckte an, wenn ich die Aussagen der Erwachsenen anzweifelte; eine Lehrerin war so überfordert, dass sie die anderen Schüler abstimmen ließ.

Als meine Familie das erste Mal umzog, war ich acht, und in dem neuen Dorf blieb ich, bis wir nach über fünf Jahren dort wegzogen, eine Außenseiterin, die verhöhnt, augeschlossen, verprügelt, bespuckt, gemobbt wurde und fiese Briefchen bekam. Ich wurde als zu lang, zu intelligent, zu hochdeutsch, zu wortgewandt, zu anders wahrgenommen. Die Dorfkinder grenzten mich gnadenlos aus, und ich fand Freunde in den Randgruppen, mit denen meine Eltern wiederum nicht einverstanden waren. Die Einsamkeit in dieser und anderen Ausgrenzungssituationen beschreibe ich in einem früheren Blogparaden-Artikel Einsam oder allein.

In der Folge war ich vermutlich das belesenste Kind im Dorf, denn die Bücherei war mein liebstes Refugium.

Diese lange Kollegin ist irgendwie komisch

Kürzlich sagte eine liebe Freundin, es sei so schade, ich habe so viele Begabungen, doch irgendwie hätte sich für mich noch nicht das richtige Fenster geöffnet, um beruflich voll zu erblühen. Das Wort „noch“ stimmt mich hoffnungsfroh. In mir wohnt der unverbrüchliche Glaube daran, dass ich in diesem Leben noch ein Arbeitsfeld erobern werde, das mich richtig gutes Geld verdienen lässt.

Als heimliche Introvertierte habe ich die Augen bei der Berufswahl nicht weit genug geöffnet und bin fast durchgehend in Tätigkeiten gelandet, in denen mich die Arbeitsinhalte schnell langweilten und wo unter den Kollegen viel getratscht, gelästert und über (aus meiner Sicht) Nichtigkeiten gestritten und geredet wird. Anschluss fand ich unter den anderen heimlichen Introvertierten und Intellektuellen; und schon waren wir gemeinsam merkwürdig und fühlten uns gleich besser.

Ich kann sehr schnell denken, Lösungsansätze entwickeln. Lange Ursachenrecherche liegt mir nicht. Schuldsuche und verurteilende Tribunale fand ich schon als Kind kontraproduktiv. Dass das eine Ursache meines Fremdseins in vielen Berufsfeldern war, erschloss ich mir erst später. Es war überall üblich, Unterschriften, Rundmails und andere Kommunikationsmittel im Büro nachzuverfolgen, um festzustellen, wer denn den Grundstein für ein verbocktes Ergebnis gelegt haben könnte, wer vermutlich noch am Misslingen beteiligt war und wer absolut keine Schuld hat. In meiner Welt war ich schon viel weiter, verstand die menschlichen Hinter- und Abgründe und überlegte, wie das Boot denn aus dem Dreck zu ziehen sei. Weil ich meist wenig Unterstützung erwarten konnte oder gar nicht erst angehört wurde, behielt ich meine sehr pragmatischen und hilfreichen Ideen meist bei mir.

Lösungsorientierung ist eine große Stärke von mir.

Was mich außerdem sehr behindert hat in vielen beruflichen Kontexten, ist meine ausgeprägte Sensibilität. Sie bewirkt, dass ich in einem Raum die Stimmung fühle und sofort davon beeinflusst bin. Warum fühlt es sich feindselig an, wer will hier Stress machen; oh, da ist jemand furchtbar traurig, woran es wohl liegt? All diese Schwingungen nehme ich auf und kann manchmal gar nicht frei agieren. Vor allem dann nicht, wenn ich selbst nicht ganz in meiner Mitte bin. Es könnte ja auch sein, dass jemand einen Groll gegen mich hegt oder dass ich etwas falsch gemacht haben könnte.

Insgesamt finde ich diese Gabe sehr nützlich, weil ich zwischen den Zeilen fühlen kann. In meinen Coachings spüre ich genau, wann meine Kundin eine Antwort nur gibt, weil sie meint, die passt jetzt. Ich frage dann nach und nähere mich dem Kern des Problems aus anderen Richtungen. Meist kommt dann irgendwann ein herzliches Auflachen, weil die Kundin jetzt benennen kann, was ihr Probleme macht. Bei meinen Freien Reden kann ich mithilfe dieser Feinfühligkeit Schwingungen aus dem Publikum aufnehmen und spontan in meine Ansprache einbauen.

Meine Sensibilität und Empathie sind überaus hilfreich bei meiner Arbeit als Coach und Freie Rednerin.

Jetzt bin ich alt, jetzt darf ich das!

Mit zunehmendem Alter wuchs auch mein Selbstbewusstsein und mein Glaube an meine Gaben und Fähigkeiten.

Ich bin (zu) ehrlich. Diplomatie kann ich und wende sie auch an. Wenn es mir hilfreich erscheint, bin ich lieber geradeheraus und sage, was ich denke und fühle. Ich mag nicht ewig um ein Thema herumeiern. Und wenn ich dabei jemanden verletze, bitte ich um Entschuldigung. Das kann ich auch.

Ich sage ehrlich, was ich denke. Ich kann meine Fehler zugeben.

Ich frage, wenn ich etwas nicht verstehe oder nicht sicher bin, ob meine Wahrnehmung richtig ist. Das stört einige Menschen, weil sie unter Umständen selbst nicht wissen, wie sie ihr Thema benennen wollen und ob es überhaupt ihr Thema ist. Auch das kann nervig sein, vor allem ist es in den meisten Fällen sehr zielführend.

Meine direkten Fragen führen zu Überraschungsmomenten und neuen Erkenntnissen.

Ich traue mich, Neues auszuprobieren. Scheitern und Aufstehen sind mir geläufig geworden. Und schlimmer, als nicht zu wissen, ob etwas hätte gut werden können, finde ich das Aufgeben vor dem Versuchen. Der wunderbare Satz „Was könnte schlimmstenfalls passieren“ prägt mein Denken und Handeln.

Ich bin mutig.

Ich finde viele Gesprächssituationen zum Lachen. Manche Konfliktsituationen sind aus meiner Sicht so absurd, dass ich nicht an mich halten kann. Man könnte meinen, das sei ein Trick. Ist es aber nicht. Und durch mein Lachen hält mein Gegenüber inne und merkt im Idealfall, dass sie oder er sich festgefahren hat in Gedanken- oder Wortschleifen, die niemandem weiterhelfen.

Ich erlaube mir, auch in ernsten Situationen humorvoll zu sein.

Meine Körperlichkeit verunsicherte mich in meiner ersten Lebenshälfte fast durchgehend. Meine Länge erlaubt es mir nie, mich zu verstecken und war ein nicht enden wollendes Thema bei uns zuhause, wo meine Mutter mein Längenwachstum sehr bedauerte und auch heute noch als Schicksalsschlag betrachtet. Mobber in der Schule hatten immer ein Thema, die freuten sich. Und ich fand keine Kleidung, in der mich angemessen beschützt fühlte.

Kürzlich sprach ich mit einer Freundin über Situationen, in denen ihr Kleidung absolut nicht wichtig ist. Ich wies auf meine Länge hin und dass sie als kleine zierliche Person in einer Gruppe unsichtbar sein kann, ich als hochgewachsene, etwas stattliche Frau hingegen immer sehr sichtbar bin. Überwiegend habe ich mich mit meinem Körper versöhnt und behandle ihn freundlich. Manchmal finde ich mich sogar richtig schön.

Wie ich mich selbst fand

Stück für Stück entlarvte ich immer mehr falsche Glaubenssätze über mich, die mir nicht passten. Glaubenssätze, die ich mir nicht ausgesucht hatte, und die mich trotzdem über lange Jahre meines Lebens begleiteten.

Es gab nicht den einen Aha-Moment, in dem ich erkannte, dass alles an mir so ist, wie es sein darf. Vielmehr war es eine lange Reise mit Zwischendrin-Erkenntnissen. Möglicherweise anstrengender, gleichzeitig gab mir das auch die Möglichkeit, die einzelnen Schritte besonders wertzuschätzen.

So, wie ich bin, bin ich gedacht und gemeint. Je eher ich mich in Gänze annehme, umso mehr Zeit habe ich für mein gutes Leben mit mir selbst.

Meine Versöhnung mit meiner Körperlichkeit zum Beispiel habe ich durch das Bloggen in The Content Society intensiv vorangetrieben. Ich habe mich und meinen Körper vom Mangeldenken förmlich frei geschrieben. Dem Thema Körperliebe ist mittlerweile eine ganze Blog-Kategorie gewidmet. Es geht dort nicht nur um Länge, sondern um alle Themen rund um den Körper und seine vermeintlichen Fehler und Macken. Ich liebe diese Artikel besonders, weil sie für jeden Menschen hilfreich sein können und ich es immens wichtig finde, sich mit dem eigenen Körper zu befassen, der tagtäglich mit uns aufsteht und uns durchs Leben trägt.

Mein Körper ist genau so, wie er ist, richtig und wunderschön.

Alles ist in Ordnung mit mir

Geholfen haben mir Freundinnen, Bücher, intensives Hinterfragen meiner eigenen Glaubenssätze. Coaching-Techniken wie The Work und Reframing sind wunderbare Tools, um schädliche Überzeugungen zu beleuchten. Und die Erkenntnis, dass „die anderen“, deren Urteil uns so ängstigt, meist viel mehr mit sich selbst beschäftigt sind als mit uns. Die Reise zu mir selbst ist vermutlich nie abgeschlossen, das ist auch in Ordnung.

Was würde ich meinem früheren Ich sagen, damit es sich nicht so lange quält?

  • Glaube an deine Intuition. Wenn es sich falsch anfühlt, ist es das auch.
  • Stelle dich selbst infrage und dann vertraue dir. Nur weil andere sagen, du bist falsch, bist du es noch lange nicht.
  • Lächle dir als erstes morgens im Spiegel zu. Wenn es jemand verdient hat, dann du!
  • Eigenlob stimmt meist. Und es hat nichts mit Arroganz oder Eingebildetsein zu tun, wenn du dich magst und schön findest.
  • Auch Eltern und andere Autoritäten dürfen hinterfragt werden. Sie agieren aus ihrer eigenen Wahrnehmung heraus, die nicht deine sein muss.

Zum Schluss

Bestimmt hast auch du Zuschreibungen erlebt, die dich kleingemacht haben, von denen du dich hast verunsichern lassen. Wenn du noch nicht auf dem Weg in deine Befreiung vom vermeintlichen Falsch-Sein bist, kann ich dich nur ermuntern, aufmerksam und achtsam für Situationen zu sein, in denen du dich klein fühlst und machst. Hinterfrage alles, glaube nichts, was sich für dich nicht stimmig anfühlt. Glaube vielmehr deinem Spiegelbild, deiner besten Freundin, dem Kollegen, mit dem du vertrauensvoll zusammenarbeitest. Und vor allem: glaube dir selbst. Du bist richtig.

Wenn du dir Unterstützung beim Aufdröseln deiner Selbstzweifel wünschst, weißt du ja, wo du mich erreichst.

Und wenn du nichts von meine Mut-, Selbstentwicklungs- und Körperliebe-Themen in Kombination mit Geschichten mitten aus dem Leben verpassen möchtest, lass mich dir meine Midlife Storys schicken. Spam-frei, unterhaltsam, immer freitags!

4 Kommentare zu „Blogparade: Warum ich lange das Gefühl hatte, falsch zu sein, und wie ich heute denke“

  1. Mein Kopf ist gerade Mus vom Wetter, aber ich möchte mich zumindest kurz für deine so unglaublich offenen Worte bedanken. LG

  2. Hey Silke!

    beim Lesen deines Artikels musste ich echt lachen – nicht, weil das Thema lustig ist (ganz im Gegenteil!), sondern weil ich sofort an meine eigenen „körperlichen Erfahrungen“ denken musste.

    Bei mir waren es die Beine. Oder wie man sie liebevoll betitelte: „Fußballerbeine“. Muskulös, stark – und offenbar ein gefundenes Fressen für Hänseleien. Und das nicht nur in der Schulzeit! Vor kurzem hat mir eine Freundin mit einem abschätzigem Lächeln gesagt, meine Beine sähen „muskulös aber echt dünn“ aus. WTF?

    Ich hab kurz überlegt, ob sie das als Kompliment meinte, schließlich habe ich mit ihr jahrelang Faustball gespielt.

    Was soll ich sagen? Ich bin 57, tanze seit über 12 Jahren Zumba, meine Beine sind immer noch muskulös – und ich liebe sie. Sie tragen mich durchs Leben, durch jeden Tanz und durch jede blöde Bemerkung mit erhobenem Haupt (oder eben: durchtrainierter Wade und definiertem Oberschenkel).

    Danke, dass du deine Geschichte geteilt hast – es tut gut, zu sehen, dass wir mit solchen Erfahrungen nicht allein sind. Und dass man irgendwann drüber lachen kann. Oder tanzen. Oder beides.

    Herzliche Grüße
    Kerstin

    1. Liebe Kerstin,

      du stehst halt fest im Leben, das wissen wir ja. Und fester Stand braucht feste Beine. Punkt.
      Ich freue mich, dass du deine Bein-Geschichten teilst. Und ich frage mich, was Leute immer dazu treibt, ungefragt Kommentare über unsere Körper abzugeben? Ich finde sowieso, zu allem, was nicht innerhalb weniger Minuten änderbar ist, sind Kommentare unzulässig. Einen Popel kann ich abwischen, eine fleckige Bluse wechseln oder mit einer Jacke verdecken, aber meine Beine, was soll ich denn da tun? Oder du? Siehste!

      Wenn es dich interessiert, guck mal in meine Blog-Kategorie Körperliebe hinein, da findest du einiges zum Thema. Damit habe ich meinen vergangenen Frust verarbeitet. Tut mir gut und zu meiner Freude anderen auch.

      Liebe Grüße
      Silke

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