Der November 2024 ist ein erstaunlich schöner Monat. Auch wenn es viel regnet und oft grau ist – das Inselgrau ist viel schöner als andere Grautöne, und es wird häufig durchzogen von ein paar farbigen Streifen oder etwas Sonnenlicht. Das Wetter wechselt hier viel schneller als auf dem Festland. Draußen und drinnen wird es lichtvoll; überall tauchen Lichterketten und Sterne auf. Ich bin unbeschreiblich glücklich, auf dieser wunderschönen Insel zu sein, und ich bin sehr neugierig darauf, einen ganzen Jahreslauf hier zu erleben.
Ich lerne Menschen und Arbeitsabläufe kennen, entdecke neue Wege und letzte blühende Blüten. Und ich arbeite viel. In der Kurklinik und im Coaching-Business. Mein Neinachtskalender ist im dritten Jahr im Einsatz und erfreut sich großer Beliebtheit.
Und jetzt der Reihe nach:
Ankommen auf Amrum
Im Oktober ging es mehr oder weniger ums Überleben. Mein Körper war gestresst. Nach Jahrzehnten des Sitzens beim Arbeiten, besteht der körperliche Teil meiner Arbeit aus Herumlaufen, aber auch aus Warten und leider auch Stehen, besonders an der Mittagsausgabe. Stehen liegt mir am wenigsten. Knie und unterer Rücken protestieren. Im Oktober widerstehe ich deswegen häufig den Verlockungen der Natur. Meine federleichten Carbon-Walkingstöcke stehen noch wartend in der Ecke. Sport ist wichtig und muss doch noch ein wenig warten.
Im November merke ich, es wird insgesamt ein bisschen leichter. Ich gewöhne mich an die Arbeits- und Bewegungsabläufe und ans Stehen, bin weniger angestrengt. Meine kleinen Mittagsspaziergänge können etwas länger werden, selbst wenn ich abends noch einmal arbeiten gehe. Die ganz großen Runden hebe ich mir sicherheitshalber für freie Tage und Nachmittage auf. Ich eskaliere so leicht und bin dann plötzlich zwölf Kilometer unterwegs. Unsere Drei-Generationen-Urlaube mit Mutter und Tochter verbrachten wir immer in Wittdün im Süden der Insel. Norddorf und die wunderschöne Dünen-Heide-Strandhafer-Landschaft entdecke ich erst jetzt und bin ihr vollkommen verfallen. Sobald ich den ersten Fuß auf den Bohlenweg setze, hüpft mein Herz vor Freude! Es ist so unfassbar schön hier; ich schreie es manchmal hinaus! Ich finde es nach wie vor total verrückt, dass ich über den Strand und durch die Dünen von meiner Arbeitsstelle nach Hause gehen kann.
![](https://silke-geissen.de/wp-content/uploads/2024/12/Schreien-450x600-1.jpg)
In den Mittagspausen brauche ich nicht mehr die ganze Zeit zur Erholung und beginne, mich um meine Bürokratie zu kümmern, teilweise umzugsbezogen: Nebenwohnungssteuer, einen GEZ-Anschluss hier anmelden, für den Anschluss in Hamburg Beitragsfreiheit beantragen. Umzugskosten abrechnen. Termine vereinbaren, einen kleinen Erledigungstrip nach Hamburg planen und mithilfe meines Vorgesetzten möglich machen. In Hamburg wohne ich seit über fünfzehn Jahren, so lange wie noch nirgends zuvor. Ich habe die Umzugsbürokratie ganz verlernt, und jetzt noch die Nebenwohnungsgeschichten! Ich hoffe, es ist überwiegend alles erledigt.
Und das Wichtigste: einige menschliche Themen im Umfeld meiner Arbeit verstehe ich besser und kann entspannter mit ihnen umgehen. Einige Missverständnisse konnten ausgeräumt werden. Ich gewinne mehr Sicherheit bei der Arbeit selbst und was meinen Stand im Team betrifft. So ist zumindest meine Wahrnehmung. Durch viele unterschiedliche Aussagen war ich kurzzeitig verunsichert. Jetzt stehe ich wieder aufrecht und selbstsicher da und fühle meine innere Stärke.
Empty Nest brutal
Als ich mit meiner Tochter darüber sprach, dass ich nach Amrum gehe und wir dadurch erstmals nicht mehr zusammenleben, ging ich von mehr Kontakt aus, als wir nun haben. Anne muss sich, genau wie ich, in ihrer neuen Lebensform zurechtfinden und braucht dafür offenbar viel Energie und Loslösung von mir. Das hatte ich nicht vorausgesehen. Es reißt an meinem Herzen. Von annähernd symbiotischer Verbindung zu tagelanger Funkstille, das ist zeitweise kaum auszuhalten.
In Kombination mit all dem Neuen, das nicht nur schön ist, erschüttert mich dieser Zustand stark. Wir reden darüber. Es wird besser. Und ganz ehrlich, die Verbindung, die wir haben, geht nicht durch Distanz kaputt, sie wird nur anders. Erwachsener. Auch für mich eine Aufforderung und eine gute Möglichkeit zum Nachreifen. Wir können beide nicht so offenporig bleiben, wie wir es miteinander waren. Durch die Aufgabe der physischen Nähe ist es notwendig, uns anders aufzustellen. Ich zweifle nicht daran, dass auch das gut ist. Es braucht nur, wie alle anderen Wachstumsprozesse, Zeit und Geduld. Und die Bereitschaft zu gucken und nachzujustieren. Das ist neu, herausfordernd und gelegentlich äußerst schmerzlich. Und im Dialog dann wieder klar, warm und vertraut.
Letzten Endes ist es vermutlich genau das, was wir brauchen. Und eines Tages wird es sich auch so anfühlen.
![](https://silke-geissen.de/wp-content/uploads/2024/12/Anne-skeptisch-450x600-1.jpg)
Der Wert der Freundschaft
Räumlich und menschlich zunächst einmal entwurzelt auf einer kleinen Nordseeinsel zu wohnen ist schon eine Herausforderung an sich. Umso wertvoller erweisen sich meine bestehenden und meine entstehenden Freundschaften.
Mit meiner Freundin Heike in Nordhessen ist schon abgestimmtt, dass wir uns treffen, wenn ich im Januar zu meiner Mutter fahre. Britta kann ich treffen, weil ich einen Festlandtermin in Niebüll so gelegt habe, dass es in ihre Anreise von Norwegen passt.
Mit meiner Inselfreundin Petra kann ich am letzten Öffnungstag des schönen Oomes Hüs eine Kleinigkeit essen gehen und herrlich plaudern. Eine wunderbar kochende Kollegin, mit der ich mich angefreundet habe, lädt mich gern zum Essen ein.
Ich lerne mittlerweile auch tolle Menschen aus anderen Bereichen der Klinik kennen und bin sehr frohgemut (tolles altmodisches Wort, nicht wahr?), diesen kleinen feinen Kreis an wohlgesonnenen und interessanten Menschen zu entdecken.
![](https://silke-geissen.de/wp-content/uploads/2024/11/wp-173152278656881234490491126363.jpg)
Was im November 2024 sonst noch los war
- Adventslichter ziehen in meine Wohnung und in die Straßen der Insel ein. Das macht es drinnen und draußen noch heimeliger, als es ohnehin schon ist.
![](https://silke-geissen.de/wp-content/uploads/2024/12/Advent-in-Norddorf-450600.jpg)
- Ich muss ein neues gebrauchtes Smartphone haben, weil ich meins ungünstig ins Wasser habe fallen lassen. Jetzt hat es einen Totalschaden, und ich habe ein neues, pastell-glitzeriges Barbiephone. Ich liebe es!
- Anne ist kurz zu Besuch, und ich erfahre, dass sie Weihnachten hier sein kann. Das finde ich absolut wunderbar!
Bloggen und Adventskalender im November 2024
Zum Bloggen komme ich in all dem Umbruch immer noch sehr wenig. Zwei Rückblicke sind entstanden. Im November beschäftige ich mich stark mit meinem Neinachtskalender, den ich vor zwei Jahren erfunden habe. Will ich ihn weitermachen? Wenn ja, wie? Will ich ihn von je einer Mail an den Adventssonntagen auf 24 Türchen erweitern? Finde ich ein Zwischending, das beim Lesen weniger Zeit erfordert? Braucht er viel Pflege, bevor er rausgehen kann? Die Antworten sind Ja, Ja und Ja!
Die Blogartikel
- Der Oktober-Rückblick ist erschienen: Der erste Inselmonat auf Amrum ist das Hauptthema.
- Der zweite Artikel ist das 12von12: Schöne Begegnungen und bunter Himmel. Zwölf Fotos eines schönen Tages.
- Weitere Artikel sind im Entstehen.
Der Neinachtskalender
Das Wortspiel ist zu schön, um es nicht erneut in die Welt zu bringen. Das Thema ist, zu vielen vorweihnachtlichen Themen Abstand zu nehmen, sie zu überdenken, auch mal Nein zu sagen. Die magische Zeit zu entzerren, damit wir sie intensiver genießen können. Du darfst in deinen eigenen Weihnachtsvorbereitungen vorkommen, nicht nur als Bäckerin, Gastgeberin, Geschenke-Einkäuferin und -Verpackerin. Du darfst NEIN sagen zu alten Traditionen, die dir schon länger zuviel sind. Deswegen NEINachten. Damit du Weihnachten bei Kräften, bei Verstand und mit allen Sinnen genießen kannst. Der Neinachtskalender hat jetzt acht Türchen; jeweils eins an den Adventssonntagen, je eins dazwischen und eins an Heiligabend. Ich gestalte die Texte kürzer als in den letzten zwei Jahren und schenke dir ein paar Ideen, wie du es dir hübsch machen kannst. Viel Freude damit!
Geht doch! Sage es gern deinen Freundinnen, Kolleginnen, Verwandten weiter. Der Einstieg lohnt sich auch, wenn du die ersten Mails nicht bekommen hast!
Ausblick auf den Dezember 2024
- Im Dezember bin ich nach einer ungerechtfertigen Sperre ein Jahr ohne Instagram. Ich vermisse die zwanglose Interaktion dort und hoffe, dass ich über die vom Bund einberufene Schlichtungsstelle wieder Zugang bekomme.
- Kurz vor Weihnachten ist die Firmen-Weihnachtsfeier. Wie lange habe ich so etwas nicht mehr erlebt! Ich muss gestehen, ich freue mich drauf!
- Die größte Vorfreude empfinde ich, weil Anne für ganze fünf Tage zu mir kommt. Unsere Arbeitszeiten sind sehr unterschiedlichen Dienstplänen unterworfen, und ich fürchtete schon, wir müssten um Weihnachten herum ein Not-Treff in Niebüll oder Husum verabreden, um uns überhaupt für ein paar Stunden zu sehen. Aber so haben wir unser kleines Inselweihnachten, das wird schön!
- Am 27. Dezember beginnt Judith Peters’ jährliche Challenge Jahresrückblog. In den letzten Jahren schrieben Hunderte von Bloggerinnen innerhalt von 20 Tagen ihren Jahresrückblick, vom 1. bis 20. Dezember. Dieses Jahr geht die Challenge vom 27. bis 31. Dezember. Das wird gut!
- Mein erstes Insel-Silvester steht bevor. Mal sehen, was ich mache. An den Strand gehen, in meiner Wohnung räuchern und orakeln. Oder etwas ganz anderes? Spätestens im ersten Newsletter 2025 wirst du es erfahren!
Damit du nichts verpasst – Blogartikel, Angebote, Überraschungen, Geschenke – trage dich gern für meinen Newsletter „Midlife Storys“ ein. Gleich unter diesem Text kannst du Geschichten mitten aus dem Leben abonnieren, meist freitags in deinem Mailpostfach und garantiert spam-frei. Abbestellen kannst du sie auch wieder. Musst du aber nicht.
Liebe Silke,
wie schön, dass Du Dich eingelebt hast und nun die tollen Seiten Deiner Entscheidung erlebst.
Das freut mich sehr. Nordsee ist wirklich zu jeder Zeit schön. Ich habe die Nordsee auch schon öfter im November erlebt und fand die Lichtblicke immer so erleichternd und seelenstreichelnd.
Dein Empty Nest Bedauern kann ich gut nachvollziehen, ich vermisse meine Kinder auch. Aber loslassen gehört zum Eltern-Dasein dazu. Ich finde es ganz wichtig, dass die Kinder ihren eigenen Weg finden und wir ihnen nicht das Gefühl geben, dass uns die langsame Auflösung dieser Symbiose schmerzt.
Liebe Grüße in den Norden, grüß die Nordsee von mir
Britta
Liebe Britta,
doch, meine Entscheidung war gut und richtig. Ich habe die See auch immer zu jeder Zeit geliebt und tue es noch. Der Sommer ist mir meist zu heiß und zu voll, ganz im Gegensatz zu diesen wunderbar leeren Zeiten jetzt!
Das Loslassen schreitet langsam voran. Ach, ich finde schon, dass wir unseren Schmerz artikulieren dürfen, allerdings ohne die Verantwortung dafür den Kindern zuzuschieben. Die haben genug damit zu tun, sich selbst zu finden. Und sie dürfen wissen, dass wir ihre Schritte sehen und akzeptieren. Auch wenn wir sie nicht immer nachvollziehen können. Manchmal fällt mir das sehr schwer, weil ich viel „schlimmer“ war als meine Tochter jetzt ist, und viele meiner Erfahrungen würde ich ihr gern ersparen. Da trete ich mir selbst auf die Füße und halte mal eben den Mund. Zum Glück sind wir, nicht so häufig, aber doch intensiv, im Gespräch. Das hilft, gemeinsam getrennt loszugehen.
Danke für dein Verstehen und deine Worte.
Liebe Grüße von der Nordsee, sie grüßt herzlich zurück, sagt sie.
Silke
Ach Silke, du/ihr macht das toll. Es gibt ja immer wieder neue Phasen mit Kindern, wenn dann mal eine gerade so schön smooth am Laufen ist.
Danke fürs Mitnehmen in deinen Inselalltag. Das tut mir hier in der Schweiz sehr gut. Es öffnet meinen Horizont.
Dafür danke ich dir sehr!
Liebe liebe Grüsse aus der Schweiz
Christine
Danke, liebe Christine,
ja, auch mit erwachsenen Kindern gibt es anscheinend Phasen. Immer wieder. Aus deinen Zeilen lese ich, dass du auch Ermutigung brauchst. Bekommst du!
Unsere Umgebungen unterscheiden sich schon sehr. Ich grüße ganz lieb in die Berge.
Silke
Oh ja, wie schön die Nordseeinseln sind, vergesse ich auch immer wieder, jetzt habe ich spontan Sehnsucht 😀 Und das Barbieglitzertelefon klingt ganz fantastisch! Ich drücke alle Daumen für eine schöne Weiterentwicklung der Beziehung zu deiner Tochter 🙂
Liebe Grüße
Angela
Lieben Dank für deine Zeilen, liebe Angela!
Ja, dann komm doch einfach mal an die Nordsee, ich finde die ja auch im Winter ganz wunderbar!
Haha, das Barbie-Glitzer-Phone, das ist schon eine Nummer. Ich will es mal mit einem anderen Gerät fotografieren.
Und danke für die Beziehungswünsche, ja, da haben wir viele Möglichkeiten, uns und unsere Verbindung zu entwickeln.
Liebe Grüße
Silke
Wie wunderbar, von Dir zu hören – nein, zu lesen – liebe Silke. Ich hab‘ mir schon gedacht, dass Du „Land unter“ hast und freue mich zu hören, dass es herausfordernd ist, aber Du trotzdem guter Dinge bist. Ich freue mich so sehr über Deinen Monatsrückblick!
Den Mutter-Tochter-Wachstumsprozess habe ich im Moment auch. Völlig anders, aber plötzlich sehnt sich meine Mutter nach dem kleinen Rest ihrer Familie – ihren Kindern. Für mich völlig ungewohnt und so übe ich mich in Telefonanrufen (die nie eine Rolle gespielt haben) und anderen Kleinigkeiten.
Es geht nichts verloren bei Euch, es ist nur anders und ungewohnt. Aber ich bin sicher, dass Ihr das schafft.
Liebe Grüße,
Marita
Liebe Marita.
ach, ich freu’ mich, von dir zu lesen (hätte auch fast „hören“ geschrieben)! Ja, so eine komplette Veränderung mit Arbeit in Festanstellung statt als Nur-Selbstständige und Wohnen in einer vielfach sehr herausfordernden Mietwohnung statt im eigenen Haus, in Kombination mit allem, was sonst noch so auf mich hineinprasselt, die frisst schon Energie.
Wie interessant, dein umgekehrter Mutter-Tochter-Wachstumsprozess. Ich will mehr darüber erfahren!
Ja, bei uns ist es wirklich neu und anders, und wenn wir in Kontakt sind, ist es auch innig und schön und echt.
Danke für deine Worte.
Liebe Grüße
Silke
Das liest sich gut bei dir. Und schön, dass ihr Weihnachten so viel Zeit zusammen verbringen könnt. Du musst vermutlich aber trotzdem etwas arbeiten?
LG,
Christine
Liebe Christine,
die Weihnachtsplanung macht mich auch komplett froh. Klar, ich werde arbeiten müssen, das macht aber nichts. Töchting kann auch gut allein rausgehen oder drin abhängen. Sie darf uns dann mit Essen versorgen. Und zum Glück haben die Restaurants auch nach WEihnachten kurz wieder auf. Nach dem Sommer ist Weihnachten/Silvester hier die Hoch-Zeit. Vermutlich werden wir so viele Hunde hier sehen wie sonst nie. Die sammeln sich hier, weil auf Amrum Böllerverbot ist. Praktisch.
Liebe Grüße
Silke