Die Autorin ist zweimal abgebildet, einmal mit der Beschriftung "Silke Geissen", einmal mit "Mein Körper", dazwischen ein Mikrofon und die Schrift: Interview mit meinem Körper

Blogparade: Interview mit meinem Körper

Das Thema der Blogparade meiner Blogger-Kollegin Sandra Hoppenz: „Liebesbrief an meinen Körper“ spricht mich direkt an. Das Thema Körper nimmt einen immer wichtigeren Platz in meinem Leben und meinem Coaching-Angebot ein. Ich bin glücklich, über die Jahrzehnte gut in meinem Körper angekommen zu sein, und meinen Weg dahin teile ich gern. Und ich liebe Blogparaden! Was das ist? Eine Bloggerin gibt ein Thema vor und lädt andere dazu ein, ebenfalls zu diesem Thema zu schreiben. Es ist total spannend, wie viele unterschiedliche Sichtweisen und Blickwinkel dabei zutage kommen. Wenn du ein Fan vom Binge-Reading bist: Viel mehr Blogparaden findest du hier in Judith Peters’ Blogparaden-Parade.

Sandra Hoppenz ist Human Design Coach, Ernährungsenthusiastin und leidenschaftliche Strickerin. Sie unterstützt dIch, deine Ernährung nach deinem eigenen, ganz individuellen Human Design auszurichten, damit du (wieder) vital, strahlend und energiegeladen durch deinen Alltag gehst. Ihr Fokus liegt dabei vor allem auf einem pflanzenbasierten Lebensstil.

Danke für diese schöne Blogparade, liebe Sandra.
Mein Liebesbrief ist ein sehr ehrliches Interview geworden, das sich grob an deinen Leitfragen orientiert.

Los geht’s: Ein Interview mit meinem Körper

Mein lieber Körper, was ging dir als erstes durch den Kopf, als du von dieser Blogparade gehört hast?

Als ich von Sandras Blogparade hörte, dachte ich nur „Mist, wir sind zu spät!“ Wir hatten unserer Community doch schon lange einen Artikel über mich versprochen und überlegt, ob wir aus dem Thema eine eigene Blogparade machen. Dann hast du so lange überlegt, bis jemand anderes mit dem Thema kam. Aber letztlich bin ich froh, denn ich habe gerade so vieles, was mich beschäftigt, und über mich zu reden ist einfacher als eine ganze Blogparade mit dir durchzustehen, du bist ja immer so ambitioniert.

Lass uns loslegen, was möchtest du wissen?

Findest du, du bist einen Liebesbrief wert?

Aber ja! Natürlich bin ich einen Liebesbrief wert! Immerhin haben wir eine lange und komplizierte Beziehungsgeschichte und sind mittlerweile seit fast 62 Jahren verbunden. Du stelltest mich oft in Frage und hattest wenig schmeichelhafte Gedanken über mich. Deine Körperwahrnehmung war bisweilen fragwürdig bis katastrophal. Wären wir nicht über die Jahre immer besser in den Austausch gegangen, sähest du mich wohl heute noch wie im Bild unten. (Anmerkung: das Bild hat meine Tochter gezeichnet, als ich darüber sprach, wie ich aussähe, wenn ich mich nur von oben und nie im Spiegel betrachtete. Hier schrieb ich etwas mehr darüber.)

Ungefähr so nehme ich mich von oben wahr

Du hast dich ja nicht immer leicht getan mit mir. Einiges hättest du am liebsten gar nicht zur Kenntnis genommen. Zeitweise wolltest du es sogar „wegmachen“! Jaja, ich weiß das. Heute hoffst du, ich hätte davon nichts mitbekommen. Damals hat es mich sehr gekränkt. Da bin ich so schön und so schnell gewachsen, und das erste, was dir und einen Eltern einfiel, war, mich daran zu hindern! Hormone habt ihr in mich hineingestopft, dass ich vorzeitig in die Pubertät kam, und das so schnell, dass ich Schwangerschaftsrisse bekam!

Nicht genug damit, es kommt noch schlimmer: Du hast dir auch noch überlegt, ob du dir die Beine verkürzen lassen kannst, um besser in Frauenkleidung zu passen und nicht immer nur Jeans und Männerhemden zu tragen. Jaaa, ich gebe zu, als ich die Fünfzigerjahre-Kleider deiner Mutter mit Wespentaille und schwingenden Röcken wahrnahm, hätte ich diese schönen fließenden Stoffe auch lieber getragen als dieses grässliche selbstgenähte, steife Baumwollkleid, mit dem ich auf dem Abschlussball klobig wirkte, obwohl ich darunter schlank und rank war. Und Shoppen war auch nie freudig. Was hast du mir alles übergestreift, was hier und da zu kurz und falsch und an irrwitzigen Stellen hing, das kannst du doch nicht mit mir machen! Immerhin trage ich dich durchs Leben und stehe jeden Morgen getreulich mit dir auf. Da möchte ich bitte artgerecht gekleidet und unterstützt werden!

Ich bin halt alles außer Durchschnitt, na und? Weißt du was? Ich bin richtig froh, dass du im Laufe der Jahre entdeckt hast, was für ein toller Körper ich bin und was ich alles für dich tue. Und dabei mache ich auch noch richtig was her!

So, du bist also mit dir im Reinen, lieber Körper. Was gefällt dir denn an dir so richtig gut? Gibt es Teile, die du immer mochtest? Was hast du mit der Zeit lieben gelernt?

Ich mag meine superlangen Beine. Sie sind ziemlich schlank und sehr sehr leistungsfähig. Sie haben Kraft und Ausdauer und sehen dabei auch noch gut aus. Was wir beide erst später realisiert haben, es sind echte Läuferinnen- und Wanderbeine, und beim Schwimmen sind sie auch nicht zu bremsen. Genauso wenig wie beim Fahrradfahren. Meine Beine lieben die Bewegung! Ich bin froh, dass du das eingesehen hast und fast so oft wie möglich mit mir walken gehst.
Meine Füße finde ich schon immer sehr hübsch. Die sind lang und schmal und haben 80 Prozent wohlgeformte Zehen. Die 20 Prozent sind die kleinen Zehen, die habe ich mir so oft an Möbeln und Türrahmen gebrochen, dass sie krumm und knubbelig sind. Du passt nicht gut auf mich auf, sage ich. Du sagst immer, deine Feinmotorik ist nicht auf meine Länge von 187 cm eingestellt, da fehlen oben und unten jeweils ein paar Zentimeter. Wie dem auch sei, du könntest besser auf mich aufpassen. Muss ja mal gesagt werden!

Was noch, lass mich überlegen:
Ich bin, seit ich etwas gereift bin, sehr stolz auf meinen Hintern, der ist so richtig schön rund und fest. Da bin ich dir wirklich dankbar, dass du ihm immer mit schönen Kleidern und Hosen schmeichelst.
Meine schmalen Hüften sind mir erst spät aufgefallen, die finde ich ganz toll. Auch wenn du immer Hosen ändern lassen musst, weil die Durchschnittsfrau an der Stelle etwas breiter ist.
Natürlich meine schlanken Pianistinnenhände (auch wenn wir schon lange nicht mehr spielen), die finde ich schön.
Meine Brauen haben eine tolle Form und meine Lippen sind voll, das mag ich. Hast du schon mal angesehen, wie filigran und zierlich meine Ohren sind? Eine wahre Augenweide!
Über meine weiche Haut will ich gar nicht reden, sonst verliebst du dich noch mehr in mich oder denkst, jetzt ist es aber genug! Wenn es aber doch so ist?

Oh, das ist ja einiges, das macht mich froh. Ich finde dich auch ehrlich toll. Tut mir leid, dass das erst spät passiert ist, gerade weil Körperliebe für mein jüngeres Ich so richtig heilsam gewesen wäre. Aber nun, jetzt ist es ja gut geworden Nach all dem, was du an dir magst – gibt es Teile an dir, die du am liebsten austauschen würdest und warum?

Hahaha, lustige Frage: meine Hüften hast du ja schon ersetzen lassen, weil ich eine angeborene Fehlstellung hatte. Die wurde zu spät erkannt, um noch gegensteuern zu können. Jetzt bin ich beidseitig getuned und bin sehr froh, dass es so wunderbare Endoprothesen gibt.
Meine Augenlider, naja. Das sind ziemlich krasse Schlupflider, und ich hätte dir zeitlebens gern riesige Augen unter angemessen dimensionierten Lidern präsentiert. Konnte ich aber nicht, das Erbe deines Vaters ist zu dominant. Eines Tages wirst du sie vermutlich straffen lassen müssen, weil ich sonst nicht dafür garantieren kann, dass wir noch alles sehen.
Meine Brüste sind durch Schwangerschaft und Wechseljahre größer geworden. Aus meiner Sicht wäre das nicht nötig gewesen. Würde es von selbst zurückgehen, wäre es mir eine große Freude. Und manchmal denke ich, du könntest sie verkleinern lassen. Ich leide aber nicht darunter. Keine Rückenschmerzen, kein Haltungsschaden, so schlimm ist es nicht. Da bin ich wirklich froh, dass du alles lässt, wie es ist.
Einen meiner Füße würde ich gern tauschen gegen einen, der genauso groß ist wie der andere. Dabei würde ich den linken weggeben und mir den neuen Fuß eine Nummer kleiner und ohne beginnenden Hallux aussuchen. Oder doch den rechten, der beim Unfall ziemlich lädiert wurde? Oder beide, so dass wir Größe 42 haben. Dann könntest du mir Schuhe kaufen, die an beiden Füßen passen. So, wie es ist, ist immer einer zu lang. Aber vielleicht auch gut, so musste ich nie High Heels tragen. Aus denen bist du nämlich immer rausgeschlappt mit dem einen größeren Fuß!

Das ist ja interessant zu erfahren. So ein Interview mit meinem Körper bringt einiges ans Licht. Hast du dich selbst eigentlich immer geliebt?

Oh, das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Als ich klein war, nein besser: als ich jung war, ein junges Kind, da bin ich viel hingefallen. Hat mich aber nicht gestört. Ich war immer ganz wild auf Musik und mochte es zu tanzen. Diese ganzen Kindersachen fand ich großartig: Tanzen, Fahrradfahren, Schaukeln! Schaukeln ist das Größte: Sitzen, Schwingen und dieses fliegende Gefühl in allen Zellen zu spüren. Herrlich! Finde ich auch als erwachsener Körper noch gut.
In der Pubertät fandest du mich grauenhaft, ich habe mich aber auch nicht wohlgefühlt. Du und deine Mutter, ihr habt immer über mich geredet, dass ich zu lang sei. Aber das hatten wir ja schon. ALLE anderen Mädchen waren kleiner als du und hatten eine Taille. Das hast du behauptet, stimmt natürlich nicht, aber es kam dir so vor. Wahr ist, so groß wie ich war damals kein anderer Körper im selben Alter. Dieses schlechte Reden über mich hat mir zugesetzt. Und von den Hormonen war mir oft schlecht und ich hatte krause Gedanken. Aber das ist ja nun vorbei, ein Glück!

Als du eine junge Erwachsene warst, fingst du an mich einigermaßen zu mögen. Weil dir junge Männer erzählten, wie gut ich aussähe. Na, ob das die richtige Motivation für echte Körperliebe ist! Ich fand mich ja schon vorher gut. Die wollten uns doch nur an die Wäsche! Aber sei’s drum. Alles konntest du ja auch nicht wissen.
So richtig toll habe ich mich gefühlt, als wir schwanger waren. Topfit sind wir jeden Tag kilometerweit zu Fuß gegangen. Du hast unserem Baby nur zu viele rohe Kohlrabi gegeben. Das arme Ding hatte ständig Schluckauf, das war vielleicht ein Theater im Bauch! Und die Entbindung hätte ich nicht wirklich gebraucht, das waren ja unglaubliche Schmerzen. Hätte ich das vorher gewusst, ich weiß nicht, ob ich das Ei auf den Weg geschickt hätte. Andererseits ist es schon toll, so was Selbstgemachtes auf dem Bauch liegen zu haben und zu nähren, dass es gesund ist und wächst. Und das viele Kuscheln, ach, das ist herrlich! Wenn dir die Mutterliebe durch alle Zellen fließt, dann bin ich so herrlich entspannt. Das ist ein feiner Zustand.

Jetzt so, ein Stückchen jenseits der Lebensmitte, merkst du endlich auch so richtig, wie gut du es mit mir hast. Was ich dir so biete, was ich jeden Tag für dich bereitstelle. Und das, obwohl ich wirklich schon vieles aushalten musste.

Da hake ich gleich mal nach: Du sagst, du musstest einiges aushalten, was war das denn?

Na, all diese Verletzungen. Mit meinen X-Beinen bin ich ja oft gefallen, als du ein Kind warst. Zum Glück wurden meine Beine mit orthopädischen Einlagen ganz gerade. Aber denk mal dran, wie dünn meine Fußgelenke sind, so dass ich auch als erwachsener Körper immer mal wieder umknicke. Dann diese komische Büroklammer, die du dir ins Knie gerammt hast beim Hinfallen, die Bänder- und Meniskusoperationen – wer fängt denn auch mit 40 noch an, Inlinern zu lernen? Und die Brüche, die hast du schon vergessen, oder? Zweimal an den Füßen, weil du so eine blöde Arbeit hattest, dass du nicht mehr auf mich aufgepasst hast. Und der Stunt auf dem Eis, bei dem du mir den Arm gleich zweimal gebrochen hast, am Ellbogen und am Handgelenk!

Und das Sprunggelenk und die Rippe – na, dasfür konntest du nichts, das war ein Unfall. Die Verletzungen im Gesicht, der Nasenbeinbruch und der angeditschte Sehnerv waren auch nicht witzig nach dem Unfall. Aber ist ja alles gut verheilt. Schön, dass auch die posttraumatische Belastungsstörung bearbeitet ist, das hast du gut gemacht. Diese Angst, die in mir steckte und mich bei jedem Brems- oder Hupgeräusch, bei jeder noch so Überquerung einer noch so kleinen Straße lähmte, die war einfach furchtbar. Danach war nicht mehr so viel, oder? Ach doch, die Gallenblase, die so steinreich war, dass du sie kurzerhand hast entfernen lassen. Das war richtig gut. Solche Schmerzen wie bei der Kolik brauche ich nicht noch einmal.

Oha, das ist ja eine ganze Menge an Unfällen und Eingriffen, wie gehst du damit um?

Ich finde das nicht so schlimm. Ich heile ja immer wieder. Und du weißt auch tief in dir drin, dass ich gesund bin und immer wieder werde. Du hast mir diesen Glauben richtiggehend eingeimpft, dass ich auch nicht mehr daran zweifle. Ich bin gesund und kann sehr vieles. Hüpfen muss ich nicht mehr, und das Thema Inlinern haben wir ad acta gelegt, weil es doch zu gefährlich wäre, mit den Keramikhüften zu fallen. Wer will schon einen Sprung in der Pfanne?

Du musst doch haufenweise Narben haben, stört dich das nicht?

Nein, die Narben stören mich gar nicht, die sind halt da. Die eine am linken Oberschenkel, an dem ich zweimal wegen der Hüfte operiert wurde, die fühlt sich manchmal ein bisschen taub an. Aber du bürstest mich ja morgens trocken und hast jetzt endlich angefangen, mich häufiger mal mit einer schönen Bodylotion zu verwöhnen. Wenn du an der Stelle mehr massierst, fühlt sich das gleich viel lebendiger an. Und wenn wir ins Schwimmbad oder ins Meer gehen, denke ich nicht mal mehr daran, dass ich lange Narben habe.

Und wenn wir schon dabei sind, wie ist das mit dem Gewicht? Gibt es da etwas, das du mit mir teilen möchtest?

Mein Gewicht war die meiste Zeit ganz normal für meine Länge. Als der dumme BMI aufkam, wusste noch niemand, dass der für lange Menschen gar nicht taugt, und plötzlich galten wir als übergewichtig, so ein Quatsch! Wir sind mit 85 Kilo in die Schwangerschaft eingestiegen, und dieser eine blöde Arzt schrieb im Bericht von einer ‚adipösen Schwangeren‘! Gut, dass du danach keine Sonderuntersuchungen mehr in Anspruch genommen hast. Wir wussten ja beide, dass Anne gesund ist und wir diesen Spätgebärendenstempel nicht brauchen. Außerdem hast du immer gesagt, wer so spät zu mir kommt, ist gesund, und wenn nicht, ist sie mir auch willkommen. Witzig, dass du so genau wusstest, dass sie ein Mädchen wird!

Nach der Schwangerschaft ging das Gewicht beim Stillen und danach ganz schön hoch. Du warst frustriert mit Annes Vater, mit dem neuen Stadtteil, der fehlenden Anbindung, dem langweiligen Job … Gut, dass du die Kurve erwischt hast und wieder zu deiner guten Ernährung zurückgekehrt bist. Ein paar Kilo zuviel waren es danach immer mal wieder, und dann plötzlich vor lauter Kummer ganz furchtbar wenig. So dass du mich mit viel Sahne und Olivenöl im Essen gezielt mästen musstest.

Was mich genervt hat, waren Diäten. Zum Glück hast du nur einmal die Brigitte-Idealdiät gemacht. Und weil alles von diesem Essen würzig, sauer, bitter oder salzig war, gierte ich die ganze Zeit nach Süßem. So dass ich dir eingeflüstert habe, direkt nach den vier Diätwochen Bounty zu kaufen. Viel Bounty. Die Familienpackung, die du dann geholt und inhaliert hast, hat direkt ein Stück vom Diät-Erfolg wieder ausgeglichen. Und bäh, die Zeit mit Almased! Alles schmeckte nach Sägemehl. Nix für mich. Das Weight-Watchers-Experiment fand ich ganz gut, da waren mir nur zu viele Zwiebeln und Hülsenfrüchte dran. Ich wusste nicht genau, wie ich das alles gesellschaftstauglich verstoffwechseln sollte.

So, wie es jetzt ist, bin ich sehr zufrieden. Du isst überwiegend gesund, ausgewogen und überwiegend vegetarisch. Du kochst mit Leidenschaft köstliche Sachen. Der Witz ist ja, ich liebe gesundes Essen und muss auf gar nichts verzichten! Ich mag es übrigens, wenn du beim Kochen singst und tanzt, dann wird das Essen besonders gut. Dass du schon vor 11 Jahren aufgehört hast zu rauchen und seit Anfang 2023 keinen Alkohol mehr trinkst, das honoriere ich mit schöner Haut und gutem Schlaf. Geben und Nehmen, so einfach ist das!

Ach, vielen Dank, das ist ja ein schönes Kompliment. Fühltest du dich jemals so richtig ungeliebt? Und wann?

Ganz früher, als wir immer in so komischen Orten wohnten, wo wir alle fremd waren, da fühlte ich mich ungeliebt. Wenn die anderen Kinder und Jugendlichen uns hänselten, weil wir so lang sind und so aufrecht, weil du mir die Haare nicht lang wachsen ließest, da kamst du ins Zweifeln und konntest mich nicht so gut leiden, oder? Kann ich aber auch verstehen, die haben dich ganz schön gemobbt. Ich fand es auch von deiner Mutter nicht nett, dass sie bei jedem Menschen, den du kennengelernt hast, als erstes fragte: „Wie groß ist er?“. Ich verstehe, dass es dir bei dem massiven Druck von außen mit mir nicht immer gut ging. Du musstest ja glauben, ich wäre nicht okay.

Und irgendwann, als du so viel wogst, dass meine Beweglichkeit litt, da ging es mir auch nicht gut. Die Diäten habe ich ja schon oben erwähnt, Schwamm drüber! Mittlerweile hast du dich ja gut berappelt und zeigst mir immer wieder deine Wertschätzung. Danke dafür an dieser Stelle.

Ach, gerne doch! Mal zu deinem Jetzt-Zustand und -Gefühl: Spürst du starke körperliche Veränderungen, sagen wir im Gegensatz zu deinen Vierzigern? Welche sind das?

Mit 40 hast du ziemlich aus dem Vollen geschöpft und dich darauf verlassen, dass ich das schon alles mitmache. Als Party Animal streiftest du durch die Nächte, das hing auch mit deiner Arbeit im Veranstaltungshaus zusammen. Was ich dir zugute halte, morgens gingst du konsequent joggen, bevor du lange arbeiten warst. Und dann warst du plötzlich schwanger und eine frische Mutter. Du fuhrst ewig lange Strecken mit deinem schnellen Fahrrad und schlepptest Anne kilometerweit im Tragetuch. Wir waren sehr fit.

Die Wechseljahre verliefen moderat. Und wenn ich überlege, bin ich insgesamt etwas langsamer geworden, aber du bringst mich immer wieder auf Trab. Jetzt beobachtest du schon die ganze Zeit diese Pulsuhr, weil du mich beim Walken pushen willst. Für mich ist das in Ordnung. Auch wenn ich mich beim Aufwachen oder beim Loslaufen gelegentlich störrisch gebe, bin ich dir doch dankbar für deinen Willen, mich beweglich, schlank und geschmeidig zu halten. Wenn du durch die Felder oder über den Elbhöhenweg unterwegs bist und die Glückshormone mich durchströmen, bin ich nicht zu halten.

Es ist mir sehr wichtig, meinem Körper zu zeigen, dass er für mich total in Ordnung ist. Woran merkst du, dass du geliebt und wertgeschätzt wirst?

Oh, da gibt es viele Indikatoren: Wenn du mit dir und mir im Reinen bist, schrubbelst du mich jeden Morgen mit einer trockenen Bürste. Seit du das in einer lustigen Challenge von Sabine Scholze als Tagesaufgabe hattest, praktizierst du es recht häufig. Täglich wäre besser, aber ich bin zufrieden. Wenn du mich bürstest, bin ich so herrlich frisch und durchblutet und fühlte mich so rundum wohl. Getoppt wird das Ganze, wenn du mich mit einer schönen Lotion eincremst. Im Sommer mag ich gern dieses Beintonikum von Dr. Hauschka, das ist herrlich leicht und duftet kräuterig. Dann bin ich auch weniger genervt, wenn du mich wieder in Kompressionsstrümpfe zwängst. Jaa, ich gebe zu, auch die sind ein Akt der Liebe. Sie halten meine Beine zusammen und geben mir ein Extra-Frischegefühl!

Wenn du walkst, wanderst oder läufst, dann fühle ich mich pudelwohl und weiß, dir geht es genauso. Wenn wir schwimmen gehen, sind wir glücklich und gemeinsam im Flow. Ich bewege mich in der Schwerelosigkeit, und du denkst deine Schwimmbadgedanken. Beim zweiten Kurs im Kraulschwimmen hast du mir eine hartnäckige Schulterverengung beigebracht, die du behandelst. Du könntest aber etwas intensiver deine Übungen machen, wenn ich das mal anmerken darf.

Manchmal umarmst du dich selbst, dann weiß ich, es ist wirklich alles in Ordnung. Und wenn du so einen bestimmten beschwingten Gang hast, das spüre ich ich durch und durch und fühle mich ganz leicht und fröhlich. Tanzen hatte ich schon erwähnt, das liebe ich absolut. Wenn du allein tanzt oder ein Tanz-Workout machst, toll! Wenn du (viel zu selten) einen Tanzpartner hast, mit dem du harmonierst, ist das die ganz große Freude! Sieh mal zu, dass du da ein bisschen aktiver wirst, ich weiß, dir tut das auch gut. Wenn du dich so ganz in mir zuhause fühlst, weiß ich, du liebst mich und weißt, was du an mir hast.

Die Autorin trägt Sportkleidung und lächelt glücklich über ihren sportlichen Körper
Glück beim Morning Walk

Verstanden, um die Schulter kümmere ich mich jetzt mehr, ich will ja auch bald wieder zum Kraulschwimmen gehen. Und ja, du hast es richtig wahrgenommen: Ich bin dir sehr dankbar für alles, was du mit mir und für mich trägst. Apropos Tragen, macht es für dich einen Unterschied, welche Kleidung ich trage?

Und wie! Die Kleidung ist mir superwichtig. Du merkst es möglicherweise nicht immer, aber wenn du Sachen trägst, die halt passen, in denen du dich aber nicht so magst, gehst du ganz anders und hast an diesen Tagen wenig Energie. Ganz anders, wenn dein Inneres mit dem Außen in Verbindung steht, kongruent bist. Denke an den Tag neulich, als du zum ersten Mal die karierte Schlaghose trugst. Dazu den schwarzen schlichten Pulli und Zöpfchen. Typischer London-Stil! An dem Tag waren wir unschlagbar und sehr miteinander verbunden. Wenn du solche textilen Treffer landest, bin ich jedes Mal sehr froh und entspannt.

Ich verstehe schon, dass du viele halbherzige Klamottenkäufe getätigt hast: Es gab einfach viel zu wenig Auswahl für schöne große Körper wie mich! Und als die Mode anfing, sich etwas mehr darauf einzustellen, hast du gekauft, was du bekommen konntest. Die Auswahl war so winzig, da war es schon toll, wenn etwas lang genug war und die Abnäher an den richtigen Stellen saßen. Über Farben und unnötiges Chichi will ich jetzt mal großzügig hinwegsehen. Inzwischen gibt es mehr Auswahl. Immer noch sehr wenig, aber du bist nicht mehr darauf angewiesen, irgendwas zu kaufen, nur weil es passt. Du kannst dir Kleidungsstücke aussuchen, in denen du dich frei, fröhlich, mutig fühlst, ganz wie du es dir vorstellst. Du hast dir mit viel Kreativität und Beharrlichkeit eine Garderobe zusammengestellt, die mich und meine Besonderheiten unterstreicht und dich beim Blick in den Kleiderschrank fröhlich stimmt.

Ein Blick in den Kleiderschrank der Autorin. Kleidung, die ihren Körper unterstützt, sich wohlzufühlen.
Kleiderliebe

Das klingt ganz wunderbar! Du fühlst dich geliebt, wir führen eine gute Beziehung, so kann das weitergehen. Ich danke dir sehr für das schöne und offene Gespräch. Gibt es zum Abschluss noch etwas, das du dir von mir wünschst?

Oh bitte, bitte, das Vergnügen war ganz auf meiner Seite. Es gibt da wirklich etwas, das ich mir wünsche: Du hast ja recht lange gebraucht, bis du mit mir so richtig zufrieden warst. Bis du mit meiner Länge, meinen Special Effects und allem zurechtkamst, was in Hochglanzmagazinen nicht erwähnt oder abgewertet wird. Mich zu lieben, wie ich bin, war ein ziemlicher Prozess für dich. Du hast ihn wunderbar gemeistert.

Viele Frauen schaffen das nicht so ohne Weiteres. Ich wünsche mir, dass du diese Frauen dabei begleitest, ihre Körper durch alle Höhen und Tiefen zu lieben. Dass sie lernen, ihre Körper zu unterstützen und ihnen alles zu geben, was nötig ist, damit sich die Körper wohlfühlen. Die Frauen natürlich auch. Es muss ja nicht jede diesen weiten und kurvenreichen Weg gehen wie du. Wenn du ihnen hilfst, stelle ich mir vor, kommen sie schneller zu ihrer ganz eigenen Körperliebe. Und jede Frau, die ihren Körper liebt, macht die Welt ein bisschen friedlicher. Das war’s. Vielen Dank!


Darf ich dich auf dem Weg zu deiner Körperliebe unterstützen?

6 Kommentare zu „Blogparade: Interview mit meinem Körper“

  1. Liebe Silke … wow! der Artikel ist dir sowas von gelungen. Ich war ja schon in grosser Erwartung als du die Interview-Form angekündigt hast. Ich konnte es mir gar nicht so recht vorstellen. Dabei sind meine Leitfragen prädestiniert für genau diese Herangehensweise. Vielen, vielen Dank dafür 🥰 danke, dass du Teil meiner Blogparade bist. Herzensumarmung und lieber Gruss, Sandra

    1. Liebe Sandra,
      danke! Ich freue mich, dass ich dich positiv überraschen konnte!
      Es war für mich durch die Interview-Form plötzlich viel leichter zu schreiben.
      Und für mich war es endlich der Startschuss in mein Körperthema im Coaching, das ich stärker betonen möchte.
      Ganz herzlichen Dank für diese Einladung,
      liebe Grüße, Silke

  2. Liebe Silke,
    wertschätzend, liebevoll und mit feinem Humor: es war mir eine Freude, dieses Interview zu lesen. Ihr zwei habt viel zusammmen erlebt in eurer Beziehung. Nicht immer war alles gut, aber wie hast du voll Vertrauen geschrieben: du heilst ja immer wieder.
    Vielen Dank für das Teilen dieses wunderbaren Liebesbriefes.
    Liebe Grüße Ulla

    1. Liebe Ulla,
      da bedanke ich mich ganz herzlich! Ja, das kann man sagen, immer einfach geht anders. Wäre vielleicht auch ein bisschen langweilig? Keine Ahnung, wurde uns nicht zuteil!
      Ganz liebe Grüße,
      Silke

  3. Liebe Silke,

    da hattest du ja eine ganz besondere Interviewpartnerin.

    So viel Offenheit, Selbstliebe und Selbstakzeptanz und bei allem auch immer ein bisschen Selbstironie. Eine sehr stimmige Mischung.

    Toll, wenn man solch eine Traumpartnerin an seiner Seite hat. Oder in sich? Ober bei sich? Oder mit sich? Egal … Deine „Körperin“ gehört einfach zu dir, ihr seid BFFs (Best Friends Forever), das spürt man.

    Ich wünsch’ euch weiterhin einen liebevollen, gemeinsamen Weg.

    🧡lich, Birgit

    1. Liebe Birgit,
      oh ja! Bis meine Interviewpartnerin und ich so selbstverständlich miteinander umgingen, war das schon eine Strecke!
      Vielen lieben Dank für deinen tollen Kommentar, das freut uns sehr.
      Herzensgrüße, Silke

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