Cartoon der Autorin rennt schreiend durch den Wald

Für alle Frauen, die unter ihren Möglichkeiten bleiben, könnte ich schreiend durch den Wald rennen!

Elena ist gebildet, lebenserfahren und in beeindruckend vielen Bereichen bewandert. Sie ist durch Höhen und Tiefen gegangen und ist ziemlich krisenfest. Kürzlich sagte sie, sie habe es endgültig satt, für oberflächliche Vorgesetzte zu arbeiten, die sie ausbeuten und ihre Unzulänglichkeiten mit großem Mailverteiler ihr unterjubeln. Das sei deutlich unter ihren Möglichkeiten. Sie ist immer wieder – egal wie fancy der Job-Titel ist – Mädchen für alles. Weil sie ja ach so flexibel ist, darf sie Kaffee kochen, im Konferenzraum nochmal kurz lüften und die Tische flink abwischen. „Ach, Elena, du kannst das doch so gut, du bist einfach unsere Beste!“ – und schon macht sie alles möglich. Für ihre eigentliche Arbeit bleibt sie dann länger. Ihre Vorgesetzten trinken längst ihren Digestif beim Geschäftsessen. Elena ist nicht dabei, hattest du dir vermutlich schon gedacht.

Franzi ist unfassbar klug, vielseitig, witzig, gebildet, finanziell unabhängig und attraktiv. Sie hat einen guten Freundeskreis und abwechslungsreiche Freizeitaktivitäten. Vor Kurzem hat sie einen tollen Mann kennengelernt, wieder mal. Dieses Mal ist ER es aber wirklich. Mr Right, auf jeden Fall. Ganz klar. Ja, bei Franzi geht das immer flott mit dem Verlieben. Ist einer nett zu ihr, fühlt sie sich zur Königin gekrönt und verliebt sich. Dabei realisiert sie nicht, dass sie vielleicht drei Prozent von dem Mann kennt- ach, macht nichts, die anderen 97 Prozent romantisiert sie sich schon selbst zusammen! Du ahnst es, Franzi verliert sich im Verlieben. Wenn die Beziehung andauert, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, eine Aneinanderreihung von gegenseitigen Anschuldigungen und Missverständnissen bis hin zu bedrohlichen Auseinandersetzungen zu werden.

Was ist bei den Frauen los?

Elena macht sich genervt auf, um eine neue Arbeit zu suchen, die ihrem Wissens- und Erfahrungshintergrund eher gerecht wird. Sie sieht sich diese und jene Stellenanzeige an. Bei der einen werden drei Jahre Auslandserfahrung in mindestens fünf Ländern gefordert, wo sie nur 18 Monate in drei Ländern hat. Bei der anderen sollen es diese und jene Diplome sein, von denen sie nur eins hat. Dass sie sieben Sprachen gut bis fließend spricht, Lebenserfahrung in allen relevanten Themen für die jeweiligen Stellen hat, lässt sie mal kurz hinten runter fallen. Du ahnst es: sie bleibt, wo sie ist. Behindernde Glaubenssätze halten sie zuverlässig da, wo sie ist.

Franzi zweifelt erst an sich, dann an der Beziehung, kurz mal an ihrem aktuellen Partner. Es dämmert ihr, dass sie sich mit Männern herumquält, die nicht halb so klug sind, weniger Esprit und Humor haben, aber sie denkt sie sich schön und liebenswert. Und gleicht innerlich und äußerlich aus, hält aus. Schmeichelt, weint, bietet Versöhnung an, bleibt. Bis es nicht mehr geht. Und macht sich nach der Trennung Vorwürfe, dass sie wieder einen Mann nicht halten konnte, dass sie es nicht schafft, in einer Beziehung zu bleiben. Hätte sie nicht nachgiebiger, weniger anspruchsvoll sein können, mehr auf ihn zugehen. Statt froh zu sein, dass jemand mit ihr zusammen sein will und nicht gleich die Flucht ergreift.

Frauen halten sich immer wieder klein!

Bei der Arbeit

Nur ein paar Fakten: Frauen bewerben sich eher unter ihren Fähigkeiten als Männer, schreibt unter anderm die FAZ. Erschreckend kleine Anteile sieht das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bei Führungspositionen (37%), Frauen in Vorstandspositionen kommen noch seltener vor. Bei Existenzgründungen (38,2%), Start-up-Gründungen (17,7%) und Inanspruchnahme von Wagniskapital (1,6%) sind zahlenmäßig die Männer weit vorn.

Keine Sorge, ich will dich jetzt nicht mit Zahlen überfrachten. Es ist ja leider nichts Neues, dass Frauen auf hochdotierten Jobs deutlich unterrepräsentiert sind. Aber diese Mischung aus Verhaltensmustern, die wir in unserer Sozialisierung gelernt haben, kombiniert mit fehlendem Mut und mangelnder Unterstützung ärgert mich wahnsinnig!

In der Liebe

Erfolgreiche Frauen wie Franzi versuchen es häufig mit dem sogenannten Downdating. Das heißt, sie entscheiden sich für Menschen, die deutlich unter ihrem intellektuellen-, finanziellen- und Bildungshorizont sind. Die ebenbürtigen Männer, die ihr gefallen, sind anderweitig liiert oder – und das kommt besonders bei Neuorientierungen vor – an jüngeren und häufig weniger gebildeten Frauen interessiert. Dadurch ist für kluge, selbstständige Frauen die Luft an der Datingfront dünn, wenn es um ebenbürtige Dates in ähnlichen Alters- und Einkommensverhältnissen geht.

Das kann gutgehen, oft ist es aber auch das für die Frauen eine Gratwanderung, bei der sie bescheiden auftreten. Mit ihrem Bildungsgrad, ihrem hoch anerkannten Job, ihrem hohen Einkommen. Dies alles, um dem Mann kein Gefühl von Inferiorität zu vermitteln. Was für ein Theater! Ich kenne keinen Mann, der mit seinem Geld, seinem Auto, seinem Job hinterm Berg hält, um der Frau, die er kennenlernt, kein schlechtes Gefühl zu vermitteln! Was das angeht, ist noch sehr viel Luft nach oben!

Ich kann es nicht mehr mit ansehen, wie tolle Frauen sich unter Wert verkaufen

Es macht mich traurig und wütend mit anzusehen, wie Frauen mit Bildung in Herz, Hirn und Seele an vermeintlich fehlenden Diplomen und Zeugnissen hängenbleiben. Männer sind wesentlich sorgloser bei Bewerbungen als Frauen. Männer bewerben sich häufiger und schneller als Frauen und haben deutlich weniger Bedenken, sie könnten für die Stelle nicht passen. Hinzu kommt, dass Frauen, wenn sie sich bewerben, aus unterschiedlichen Gründen benachteiligt werden.

Ich kann es nicht mit ansehen, wenn kluge und interessante Frauen sich an Männer hängen, die ihnen so offensichtlich nicht gut tun. Die sich passend machen für jemanden, der nur Teilbereiche ihres facettenreichen Wesens akzeptiert und alles andere schlecht macht. Der sie klein hält und ihre Karrierewünsche nicht unterstützt, weil – ja warum eigentlich?

Ich kann dir endlose Listen von Frauen nennen, die nicht glauben, was sie können. Die ihren Wert von der Anerkennung von außen abhängig machen, die sich umwerfen lassen, wenn die Mutter etwas über ihre Haushaltsführung sagt. Die glauben, sie müssten Vollzeitarbeit, Kinder, Haushalt ohne Hilfe perfekt managen. Frauen, die der Sicherheit ihrer Beschäftigung ihre Träume und ihre Werte opfern. Frauen, die sich selbst verlieren, weil sie Vorstellungen haben, wie andere sie sehen oder sehen sollten. Wie ‚man‘ eben so lebt und dabei bitteschön nicht klagt.

Wie kann das nur passieren?

Hast du dich auch schon (häufiger?) bei Gedanken erwischt wie:

  • ich kann das nicht
  • ich habe kein Diplom
  • mir fehlt noch Wissen
  • ich bin meinem Partner/meinen Kindern/meinen Eltern irgendwas schuldig und darf mich nicht weiterentwickeln
  • ich muss für xy da sein
  • wenn ich erst…, dann kann ich auch…, aber wirklich erst dann
  • mein Partner könnte neidisch sein, wenn ich mehr verdiene
  • meine Familie würde mich mit Argwohn betrachten
  • es läuft doch eigentlich
  • ich könnte mich blamieren
  • man könnte meine Bewerbung ablehnen
  • vielleicht verliere ich Freunde, wenn ich mich weiter entwickele
  • mein Partner könnte mich verlassen, wenn ich mich jobmäßig verbessere
  • ich bin zu anspruchsvoll
  • ich will es irgendwem beweisen, dass ich dran bleiben kann (ohne zu hinterfragen, ob es sich lohnt)
  • und die Liste ist unendlich verlängerbar.

So passiert es immer wieder, dass Frauen sich klein machen und nicht aus ihrer vermeintlich sicheren Deckung herauskommen.

Wenn Frauen die Diplom-Falle ignorieren

Zum Glück geht es auch anders. Die Frauen, die ihre Fähigkeiten erkennen und schätzen, lernen an irgendeinem Punkt ihres Lebens, dass es um ganz andere Dinge geht als um Bescheinigungen und Urkunden. Stattdessen um Erfahrung, um Weisheit, Empathie, Lösungsorientierung, Pragmatismus.

Aus dem Schock in die erfolgreiche Selbstständigkeit

Vor Jahren begegnete ich während der Arbeit in einem Veranstaltungshaus Christina, der Inhaberin einer Dekorationsfirma. Eine riesige Gala sollte alle Stockwerke und Räume des Hauses auf über 1.500 Quadratmetern füllen und wurde aufwändig ausgestattet. Menschen würden auftreten, geehrt, verwöhnt und mit Preisen gekürt werden. Die Vorbereitungen dauerten einige Tage. Ich kam mit Christina ins Gespräch und erfuhr, dass sie ausschließlich mit Müttern arbeitet.

Der Grund: Sie selbst wurde von ihrem Partner verlassen, als der von der gemeinsam verursachten Schwangerschaft erfuhr. Sie wollte das Kind haben, er ging. Sie startete trotzdem ihr kleines Unternehmen. Und weil sie aus schmerzlicher Erfahrung wusste, wie sehr Mütter sich durchbeißen können, sprach sie diese gezielt als Mitarbeiterinnen an. Diplome, Teilnahmebescheinigungen und sonstige Zeugnisse waren unwichtig. Sie brauchte diese besonderen Qualitäten von Müttern: Resilienz und Beharrlichkeit sowie den Willen, das was sie tun, gut zu machen. Und Christina wurde nie enttäuscht!

Aus eigener Erfahrung Mut zum Coaching

Meine Freundin Berit fragt sich schon ihr Leben lang, warum sie gefühlt nichts auf die Reihe bekommt. Ihr Partner verzweifelte daran, dass er sie so chaotisch fand, und er zog aus dem gemeinsamen Haus aus. Berit bekam im Erwachsenenalter die Diagnose ADHS gestellt. Damit ist vieles erklärt, was bei ihr schief läuft. Ihr Blick auf ihr chaotisches Inneres veränderte sich komplett, und sie entwickelte Hilfsstrategien. Mit diesen schafft sie es, pünktlich zu Terminen zu kommen und andere Herausforderungen ihres Lebens zu meistern.

Berit hat fünf Kinder. Da kommt auch ADHS vor, dazu Lese- und Rechtschreibstörungen und Dyskalkulie (nicht alles bei jedem Kind). Berit erkannte ihr Potenzial! Nachdem sie als ausgebildeter Coach an der Arbeit mit Erwachsenen nicht die Freude fand, die sie sich wünschte, überlegte sie nicht allzu lange und bot ihre Leistungen als Lerncoach für Schulkinder und Jugendliche an. Sie arbeitet intuitiv und stellt sich auf jeden jungen Menschen so ein, wie es das Krankheitsbild erfordert und beobachtet, worauf ihre Klient:innen gut reagieren. Sie spielt Spiele, rechnet, zeichnet und schreibt, und ihre junge Kundschaft liebt sie! Sie wird von Schulen empfohlen, und – du hast es vielleicht schon geahnt – sie hat nicht ein einziges Diplom, das ihre Befähigung für diese Arbeit bestätigt.

Fazit: es geht also doch, was für ein Glück!

An zwei Beispielen siehst du ansatzweise, was Frauen dazu bringen kann, unter ihren Möglichkeiten zu bleiben, sich ab und an aufzubäumen und doch wieder ins Gewohnte zurückzurutschen. An zwei anderen Werdegängen zeige ich dir Frauen, die den Mut hatten, sich über tradiertes Rollenverständnis, Bewerbungsängste, Diplomhörigkeit hinwegzusetzen. Frauen, die ihrem Impostor-Syndrom den Mittelfinger zeigen und diesem Glauben, sie seien Blenderinnen und ihre Erfolge nicht real, Adieu sagen. Frauen, die sich mutig auf den Weg machen und das, was in ihnen ist, in die Welt bringen und Gutes damit tun.

Das Schlimmste, was passieren kann, wenn du versuchst, wozu du dich berufen fühlst, ist nicht die Möglichkeit zu scheitern. Das Schlimmste ist, es nicht versucht zu haben und dich zeitlebens zu fragen, ob es nicht hätte klappen können.
Und warum sollte es das nicht tun? Ich kann dir nur empfehlen, höre auf deine Intuition, hab Vertrauen in deine Fähigkeiten und rede dich nicht klein.


Fühlst du dich noch zu klein, um zu starten und loszulaufen?

Eine halbe Stunde zum Kennenlernen, nur für dich! Ich freue mich!

Die Autorin formt mit ihren Fingern ein Herz für Liebe

8 Kommentare zu „Für alle Frauen, die unter ihren Möglichkeiten bleiben, könnte ich schreiend durch den Wald rennen!“

  1. Super! Was für ein leichter und doch schwerer Artikel! Ich bin begeistert und erschüttert zugleich und kenne auch viele Beispiele, bei denen Menschen hinter ihren Möglichkeiten bleiben und einige sind sogar Männer! 😉 Paperwalls nenne ich das!

  2. Dein Artikel spricht mir aus dem Herzen. Es ist Zeit, die Selbstzweifel über Board zu werfen. Wenn ich sehe, wie Frauen den Großteil der Arbeit in den Familien leisten, zusätzlich zu Ganztages-Jobs, aber immer noch weniger verdienen und nur einen Bruchteil des Vermögens besitzen, zu wenig einflussreiche Positionen besetzen, dann würde ich am liebsten auch schreiend durch den Wald rennen.

  3. WOW! Wie gut, dass es Frauen gibt, die was tun. Statt schreiend durch den Wald zu rennen 😜. Doch aus meiner Sicht noch viel zu wenige. Es ist mir nach wie vor ein Rätsel, warum wir Frauen, trotz der vorliegenden Erkenntnisse, trotz der zahlreichen Trainings und/oder Coachings sich immer wieder sich „unter Wert verkaufen“.
    Und meine ganze Unterstützung hat Christina! Davon braucht es so viel mehr. Frauen, die Frauen unterstützen und fördern.

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