Ja, du liest richtig. Burn-on, nicht Burn-out.
Bestimmt kennst du die Metapher von dem Waldarbeiter, der sich mit einer stumpfen Axt abmüht und furchtbar stöhnt, weil es so anstrengend ist, damit Bäume zu fällen? ‚
Ein Wanderer, der ihn sieht, schlägt ihm vor, die Axt zu schärfen, weil danach das Bäumeschlagen viel einfacher sei.
Der Waldarbeiter weiß, dass der Wanderer recht hat, sagt aber: „Dafür habe ich keine Zeit, ich muss Bäume schlagen. Das Schärfen der Axt dauert viel zu lange.“
Und so müht er sich weiter, seine Arbeit ist weniger effektiv, als hätte er sich ein paar Minuten Zeit für das Schärfen seiner Axt genommen.
Ungefähr so funktioniert Burn-on. Dieser Zustand lässt sich lange halten und fortführen. Der Arbeitswille ist da, das Engagement auch, aber begleitet sind beide von der ständigen Erschöpfung und von dem im Hintergrund lauernden Burnout. Viele Menschen haben diesen Spagat zwischen Hamsterrad und Gerade-nicht-Zusammenbruch so perfektioniert, dass sie über Jahre mit erstaunlicher Energie am Abgrund entlangbalancieren.
Was haben Burn-on und Burnout gemeinsam?
Weder Burnout noch Burn-on sind als eigenständige Krankheiten anerkannt. Beide geltenals „Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitssystems führen.“ Beiden gemeinsam ist der Ursprung Stress. Zu viel Arbeit, zu viel Mental Load, zu viel Haushalt, zu wenige Pausen. Kümmern um Kinder, Eltern, zu hohe Ansprüche an unser Leistungsvermögen. Es ist in heutigen Arbeitsumfeldern meist nicht mehr üblich, einfach Feierabend zu machen. Durch Home Office, Soloselbstständigkeit und die Möglichkeit, sehr viele Berufe von überall ausüben zu können, sind die Arbeitszeiten entgrenzt. Morgens im Bett auf dem Smartphone die ersten Nachrichten lesen, sich Arbeit mit nach Hause nehmen oder sie gleich zuhause erledigen – für viele ist das längst Standard.
Pausen werden häufig nicht wahrgenommen, „weil es gerade nicht in den Ablauf passt“, „weil da eine Deadline ist“, „weil meine Vorgesetzte auch keine Pause macht“. Dabei sind es die Pausen, die uns am Laufen halten, nicht das Durchziehen. Das funktioniert nur eine Weile, dann brechen wir zusammen. Wenn wir auf unsere Pausenzeiten achten, immer mal zwischendurch aufstehen, uns gaaaanz laaang streeeecken, einen flotten Spaziergang um den Block machen, einfach einen Moment hüpfen oder was immer in dem Moment gut tut, sind wir wesentlich effektiver, machen weniger Fehler und fühlen uns besser. Tun wir das langfristig nicht, erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit, im Burnout zu landen.
Was unterscheidet Burn-on und Burnout?
Beim Burn-on definieren sich viele Menschen noch sehr stark über die Arbeit. Sie klammern sich regelrecht daran fest, glauben, wenn sie nicht dies und jenes noch eben schnell erledigen, bricht alles zusammen. In diesem Rad laufen sie häufig jahrelang und sind von ihrem starken Leistungswillen angetrieben. Darunter leidet, wie beim Burnout, das soziale Umfeld. Freunde, Familie, Vereine werden vernachlässigt. Es zählt nur noch die Arbeit, das Leisten, die Vorgaben von außen, die erfüllt werden MÜSSEN. Sonst setzt die Scham ein. Scham, das Tagespensum nicht geschafft, der Tochter nicht bei den Hausaufgaben geholfen, die Präsentation nicht fertiggestellt zu haben. Scham verursacht weiteren Stress.
Beim Burnout sind viele rote Ampeln überfahren, für Auswege ist es (im Moment) zu spät. Burnout ist der totale Zusammenbruch, es ist kaum oder kein Arbeitswille mehr da, wenig oder keine Identifikation mit der Arbeit. Sehr häufig liegt schon länger eine Depression vor. Der Körper hat vor all dem Stress kapituliert. Geist und Seele leiden, weil sie keine angenehme Stimulation mehr bekommen und auch gar nicht mehr wahrnehmen könnten.
Warum hängen wir so lange im Burn-on fest?
Gerade wir gestandenen, lebenserfahrenen Frauen laufen häufig immer noch mit Glaubenssätzen herum wie „Ohne Fleiß kein Preis“, „von nichts kommt nichts“ undsoweiter. Wir sind zum Leisten erzogen, stellen dies nicht ernsthaft in Frage, kommen gar nicht auf die Idee, dass eine Arbeitswoche weniger als 40 Stunden haben könnte. Und selbstverständlich gehen wir danach einkaufen, holen Kinder vom Klavierunterricht, gehen mit den Eltern zum Arzt, kochen, räumen auf, machen die Wäsche. Suchen Sachen zusammen fürs Sozialkaufhaus, bei dem wir morgen vorbeifahren wollen. Hetzen zum Elternabend, halten die Starre nicht aus, in der sich keiner für die Elternvertretung meldet …. ja.
Krankheiten empfinden wir als lästig, wollen sie schnell loswerden, behandeln sie gern symptomatisch. „Ein Infekt? Hinlegen und ausschlafen? Auf keinen Fall, ich nehme Tabletten, dann wird das wieder. Trinke bei der Arbeit Energy Drinks und Kaffee, damit komme ich locker durch den Tag.“ Äußerungen wie diese höre ich häufig von meinen überlasteten Kundinnen, wenn wir auf das Thema Arbeitsbelastung und mögliche Entlastung reden. Am liebsten wären ihnen ein paar Tipps von mir, mit denen sie weiterhin in ihren Hamsterrädern kreiseln können, nur eben folgenlos.
Als wollte es in diesen Artikel, zeigte sich dieses wunderbare Gedicht von Rainer Maria Rilke. Es passt zum aktuellen Artikel „Leben im Zeitraffer“ meiner Bloggerfreundin Susanne Heinen passt. Ich liebe ihre kreativen Impulse – übrigens eine fantastische Möglichkeit, beim Burn-on gegenzusteuern. Den Zeitraffer-Artikel und viele andere wunderbare Mitmach-Ideen findest du auf Susannes Blog. Aber jetzt das Gedicht:
Wir sind die Treibenden.
Aber den Schritt der Zeit,
nehmt ihn als Kleinigkeit
im immer Bleibenden.Alles das Eilende
wird schon vorüber sein;
denn das Verweilende
erst weiht uns ein.Knaben, o werft den Mut
nicht in die Schnelligkeit,
nicht in den Flugversuch.Alles ist ausgeruht:
Rainer Maria Rilke
Dunkel und Helligkeit,
Blume und Buch.
Kommt dir einiges bekannt vor? Hast du auch manchmal Angst um dich und deinen Körper- und Seelenzustand? Vergisst du, dass es auch das Wort NEIN gibt? Oder GENUG? Dann empfehle ich dir: Buche dir 15 so aufschlussreiche wie kostenlose Minuten mit mir. Lass uns besprechen, wie wir gemeinsam deinen Weg aus dem Burn-on finden!
Liebe Silke,
ich finde es immer wieder wundervoll, wie du humorig, mit lockerer Sprache, „ernste“ Themen behandelst! Dein Eingangsbeispiel bringt es genau auf den Punkt und obwohl es ja so offensichlich scheint, tuen wir uns mit Veränderung alle so wahnsinnig schwer. Ich musste lachen, dass deine Kundinnen am liebsten ein paar Tipps hätten, die ihnen erlauben weiterzumachen wie bisher, nur ohne die doofe Stressbelastung – der Gedanke hat einen gewissen Reiz 🙂
Liebe Grüße. Stefanie
Liebe Stefanie,
ja, nicht wahr, das wäre spannend auszuprobieren. Und danke dir so sehr für deine Freude an meiner Sprache. Es ist wunderbar, wenn ich mich damit nicht nur selbst unterhalte ;).
Ganz liebe Grüße, Silke
Moin Silke. Nachdem ich deinen Artikel zum BurnOn genossen habe, ist mir erneut deutlich geworden, dass mein ganzes Leben so verlaufen ist. Nur dass ich dem Ganzen jetzt auch einen Namen geben kann. Mein BurnOn wurde ab und zu nur durch BurnOuts und die nachfolgenden Erholungsphase unterbrochen. Aber es ist auch schwer, wenn man ständig mehr von sich erwartet, als man eigentlich leisten kann. Vielleicht ist man schon so erzogen worden. Jetzt im Rentenalter merke ich erst langsam, dass es auch anders geht. Hoffentlich kann ich den Rest dann auch noch ohne BurnOns und BurnOuts genießen. 🍀
Moin Thomas, vielen Dank für deinen einsichtsvollen Kommentar, ich freue mich! Oh, und wie wir so erzogen sind! DAs ist ja die Crux. Immer mehr und immer besser. Eins erreicht, dann kann es ja auch gleich das nächste sein. Wenn du eine Zwei in Englisch hast, schaffst du doch auch sicher die Eins in Französisch! Ich wünsche dir ein genussvolles Leben ohne die falschen Burner!