Ein buch, aus dem Buchstaben strömen, mit einem goldenen Herzen, Symbol für die Liebe der Autorin zur Rechtschreibung

Blogparade: Die Rechtschreibung und ich – eine Liebe fürs Leben

Wenn du dich über diesen auf den ersten Blick artfremden Artikel auf meinem Blog wunderst: Meine Mit-Bloggerin Kerstin Salvador lädt ein zu ihrer Blogparade über die Rechtschreibung, und da bin ich dabei! So seltsam ist es eigentlich auch nicht. Rechtschreibung bestimmt zum großen Teil die schriftliche Sprachwahrnehmung. Sprache ist unser Mittel zur Verständigung, und um Verständigung geht es im Coaching und beim Bloggen.

Hier ist mein kurzer, ganz und gar unwissenschaftlicher, Exkurs über mein Verhältnis zur Rechtschreibung.

Was ist Rechtschreibung für mich?

Rechtschreibung ist für mich eine Grundlage dafür, einen Text zu mögen. Mit ihren Geschwistern Grammatik, Satzbau, Erzählkunst und Inspiration macht sie Geschriebenes rund. Ein professioneller Text, dem eine der Komponenten deutlich fehlt, hat wenig Chancen, von mir zu Ende gelesen zu werden. Privat bin ich mittlerweile zum Glück in der Lage, Abstriche zu machen. Eine meiner liebsten Freundinnen zum Beispiel ist einfach nicht gut in Rechtschreibung, dafür hat sie ein großes Herz. Da ist es mir egal, wie sie schreibt. Und ich habe gelernt, dass Rechtschreibung weder angeboren noch von jedem Menschen erlernbar ist. Wenn ich merke oder weiß, die Autor:in eines Textes hat eine Lese-Rechtschreib-Schwäche, ist das etwas anderes als ein gleichgültig hingerotzter Text ohne erkennbare Mühe dahinter.

War ich immer rechtschreibungssicher?

Um nichts Falsches zu sagen, habe ich eben meine Mutter gefragt. Sie sagt, schon als Leseanfängerin mit fünf Jahren schrieb ich korrekt, weil ich mir das Lesen anhand von Werbeanzeigen und Büchern Wort für Wort selbst aneignete und dann schrieb wie gelesen. Unter meinem ersten Diktat im ersten Jahr in der Schule (ab dem zweiten Halbjahr war ich in der zweiten Klasse) stand eine Eins – ich glaube, das Heft habe ich immer noch, ich war so stolz!

Silke Geissen als Kleinkind

Als Kind zog ich aus meinem Umfeld die Wahrnehmung, Nicht-Rechtschreiber seien etwas dumm. Damals wusste man noch nichts von den vielen unterschiedlichen Gründen, die zu nicht korrekt geschriebenen Texten führen können. Und ich war eine ziemliche Besserwisserin. Es ist mit zunehmendem Wissen und gewachsener Erfahrung milder geworden. Bei lebenden Menschen halte ich mich sowieso meist zurück, aber es kommt gelegentlich vor, dass ich Korrekturen in Bücher schreibe. Es ist einfach stärker als ich.

Was mich aus der Bahn geworfen hat, waren die Rechtschreibreformen und der Umgang der Menschen damit. Plötzlich schien jeder alles auseinander zu schreiben. Auch Wörter, die eindeutig zusammengehören. Ich sah plötzlich Konstrukte wie „zu letzt“, „an statt“, „ein zu schalten“ und soweiter. Die Reformen überforderten mich teilweise auch. Manches fand ich einfach nicht hübsch. Wörter wie „Stängel“, „Majonäse“, „Portmonee“. Zum Glück ist das Portemonnaie auch noch zulässig. Der Wegfall vom ph der Phantasie schmerzte mich, er ließ zunächst die Fantasie schnöde und weniger geheimnisvoll erscheinen.

Was soll ich sagen: ich habe mich daran gewöhnt. Ich finde es gut, dass die Sprache ein lebender Organismus ist und sich verändert. Meine alten Hanni und Nanni-Bücher würde ich heute nicht mehr gern lesen. Gut, dass sie neu übersetzt sind. Und auch wenn ich im Deutschunterricht in Grammatik nie gut war, habe ich ein sehr gutes Sprachgefühl. Es weist mich darauf hin, wann ich ein Wort, einen Ausdruck, eine Beugung, nachschlagen sollte. Kluge Menschen wie Bastian Sick und Kerstin Salvador sind mir da gute Quellen neben dem Duden und anderen schlauen Veröffentlichungen.

Was mir beim Lesen Rechtschreibungs-Schmerzen bereitet

Harry Rowohlt, den ich übermäßig verehre, sagte in einer Lesung, bei der ich zu Gast war: „Hier steht übrigens Pinoccio. P-i-n-o-c-c-i-o. Nicht, wie es richtig wäre, Pinocchio. Nein, ohne H. So geschrieben heißt es also Pinotschjo und nicht Pinockjo. Ich sage das nur, weil das Auge ja bekanntlich mitliest.“
Damit traf Harry meinen Nerv. Ich sehe auch alles. Vieles mittlerweile etwas gelassener, aber ein paar Dinge machen mich immer noch kirre. Aus verschiedenen Richtungen kommen Einflüsse auf die Rechtschreibung und die Sprache überhaupt. Ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, verrate ich dir ein paar „Lieblings“-Fehler:

Klein geschriebene Substantive

Bei am Smartphone geschriebenen Texten sehe ich häufig „Guten morgen“, „Der kleine“ undsofort. Das Smartphone weiß nicht, ob ich den morgigen Tag (morgen) oder den Morgen meine. Ob nach dem Wort „kleine“ noch etwas kommt oder ob ich den Kleinen meine. Der Morgen und der Kleine sind beides Substantive, also groß zu schreiben. Ich versuche, dieses Phänomen nicht zum Untergang der schönen Sprache hochzustilisieren. Nicht immer fällt es mir leicht.

Die Folgen der Anglizismen

Viele Anglizismen durchdringen die deutsche Sprache, das ist normal und in Ordnung. Einiges sorgt bei den Schreibenden für Verwirrung.
Ein Beispiel: Im Englischen wird recht häufig apostrophiert. Im Deutschen wird der Apostroph grundsätzlich nur bei Weglassungen eingesetzt. Mittlerweile ist die Verwirrung bei den Schreibenden so groß, dass fast jedes Wort, das auf s endet, mit einem Apostroph versehen wird. Auch Jean’s, sein’s, jede’s, montag’s.
Autsch!

Das zusammengeschriebene „soweit“

Das Wörtchen „soweit ist dann korrekt zusammengeschrieben, wenn es durch „sofern“, „soviel“ oder „wie“ ersetzt werden könnte, aber nicht, wenn etwas so weit ist. Nie. Wäre ich Rechtschreibungs-Ministerin, würde ich in Rundschreiben und Pamphleten darauf hinweisen, dass es immer dann nicht zusammengeschrieben werden darf, wenn es einen Fortschritt oder eine Distanz beschreibt.

Ich würde auch auf meinen persönlichen Gegentest hinweisen: wenn du „weit“ durch „nah“, „groß“ oder ein beliebiges anderes Adjektiv ersetzen kannst, das es in Verbindung mit „so“ nicht gibt, also kein „sonah“, „sodick“, „soklein“ – dann ist es auseinanderzuschreiben. Immer. Also „so weit“ und nicht „soweit“. Gern geschehen.

Die Sache mit dem scharfen s

Mir scheint, die Entscheidung, wann ein Doppel-s und wann ein ß ins Wort gehört, fällt nach der letzten Reform schwer, obwohl es grundsätzlich heißt, nach kurzen Vokalen die zwei s, nach langen das ß. Also Fuß, aber Kuss. Straße, aber Masse. Ist auch klarer, sonst kann ich Maße von Masse nicht mehr unterscheiden. Wie machen das eigentlich die Schweizer, bei denen es das ß gar nicht gibt?

Rechtschreibung ist sexy

Stell dir vor, du bekommst einen Liebesbrief, ob per Post, Messenger oder Mail, ist egal. Die Person, die dir schreibt, lässt dein Herz hüpfen. Ihr kennt euch ganz frisch persönlich, du bist neugierig. Du bekommst einen sehr romantischen, vielleicht sogar leicht erotischen Liebesbrief. Wenn dieser Brief in schöner Rechtschreibung mit gutem Satzbau in einem guten Fluss geschrieben ist, ist das ein Hochgenuss, findest du nicht?


Mein langjährigster Partner ist ein Meister des Worts und der Rechtschreibung. Wir schrieben beide viel, und wir hinterließen einander immer kleine Briefchen mit sehr viel Wortwitz. Diese Briefchen habe ich teils noch Jahre nach unserer Beziehung gefunden und mich immer wieder daran erfreut.

Ob ich selbst immer richtig schreibe, willst du wissen

Nein. Tue ich nicht.

Ich mache Flüchtigkeitsfehler, die ich vereinzelt übersehe. Und weil ich mit zehn Fingern überwiegend blind schreibe, überholen sich meine Finger manchmal gegenseitig, dann stehen da Buchstaben in der falschen Reihenfolge. Nicht immer fällt es mir beim Korrekturlesen auf.

Die Auseinander- oder Zusammenschreibung von Verben, oben schon erwähnt, hält sich nicht vollständig in meinem Kopf. Ich muss häufig nachschlagen, ob es so, wie ich es gerade schreibe, richtig ist oder nicht. Und manchmal schlage ich es nicht nach, weil mich das Nachschlagen aus dem Schreib-Flow bringt.

Mein Textaufbau in größeren Texten ist nicht immer stringent.

Bestimmt fallen dir noch andere Fehler auf, die ich mache. Aber ich bemühe mich sehr um schöne Texte.


Zugegeben: Lektorin war ein Beruf, der für mich absolut infrage kam. Ich habe viele große und kleine Texte Korrektur gelesen und lektoriert und viel über Wissensgebiete gelernt, über die ich sonst nie etwas erfahren hätte. Heute lebe ich mich, was das angeht, ein wenig in The Content Society im Feedback-Team aus, wobei ich mich auf weit mehr als auf die Rechtschreibung konzentriere. Es wäre sonst zu eindimensional.

Ich kann es nicht leugnen: ich liebe Rechtschreibung. Aber ich führe keinen Feldzug mehr. Das lässt Ruhe in mir entstehen. Oder, wie Robert Gernhardt sein Gedicht „Von der Ruhe“ beschließt:

Und du strahlst ne Ruhe aus,
die zieht dir die Schuhe aus.

Robert Gernhardt, aus seinem Gedicht „von der Ruhe“

Nun bin ich mit Haut und Haaren Life Coach und lebe meine Herzensaufgabe: Ich begleite Frauen in der Lebensmitte in ihr erfülltes Leben.

Ich liebe das Schreiben und fast noch mehr Schreib-Events. Deswegen veranstalte ich (natürlich!) auch eine Blogparade. Sie trägt den Titel:
„Wechseljahre und dann? – Endstation Unsichtbar oder Time of your Life?“
Fühle dich herzlich eingeladen. Und deine gern schreibenden Freundinnen und Kolleginnen lade gern mit ein – das wird eine Wechseljahres-Text-Party, auf die ich mich total freue!

2 Kommentare zu „Blogparade: Die Rechtschreibung und ich – eine Liebe fürs Leben“

  1. Ich danke dir sehr herzlich für deinen wunderbaren Beitrag zu meiner Blogparade. Bin schockverliebt in deine Ode an die Rechtschreibung! Du sprichst mir aus der Seele, liebe Silke! Ich denke manchmal, ich sei ein Nerd, aber es beruhigt mich, dass es dir genauso geht und dir gewisse Fehler beim Lesen ebenfalls Schmerzen bereiten.
    Oh, was lese ich, du nennst mich in einem Atemzug mit Bastian Sick und dem Duden …. ähhhm … rotwerd … Das steht mir nun ganz bestimmt nicht zu, aber ich freue mich trotzdem wie Bolle darüber 😉
    Schau mal, dir ist versehentlich ein Absatz doppelt reingerutscht (Als Kind hatte ich in meinem Umfeld …). Vielleicht magst du den noch rausnehmen.
    Deine Blogparade spricht mich ebenso an. Dazu werde ich sehr gerne auch einen Blogartikel beisteuern!
    Herzliche Grüße
    Kerstin

    1. Oh danke, liebe Kerstin, das freut mich sehr, dass dir der Artikel gefällt.
      Und mich beruhigen die gemeinsamen Schmerzen beim Leben ebenfalls!
      Danke für den Hinweis auf den doppelten Absatz, das ist mir doch beim Umformatieren durchgerutscht.
      Und ich freue mich sehr auf deinen Artikel in meiner Blogparade, da bin ich gespannt!
      Ganz herzliche Grüße,
      Silke

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen
DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner