Am Wochenende ist meine Tochter bei einer Freundin, und ich habe meine Zeit ganz ungeteilt für mich. Anders als sonst, wenn ich allein bin, überlege ich mir, was ich wirklich will und was mich stärkt und nährt. Inspiriert und ein bisschen getriggert bin ich durch ein Gespräch, in dem es um meine Vorstellungen von Partnerschaft ging. Bei der Frage an mich, wie ich ein typisches Wochenende gestalte, kam ich erst ins Stocken, dann ins Nachdenken. Deswegen verabrede ich mich mit mir und überlege mir unterschiedliche schöne und realisierbare Vorhaben.
Und das ist daraus entstanden:
Zuerst die Bestandsaufnahme: Wie es häufig läuft – wenig Struktur, wenige Erfolgserlebnisse
Es passiert gern mal, dass ich ein Wochenende zuhause komplett auf mich zukommen lasse. Es ist immer etwas zu tun, etwas zu besorgen. Meist räume, sauge und putze ich mich durchs Haus, repariere etwas, erledige viel Liegengebliebenes. Und ich bin immer wieder überfordert von der schieren Menge der Arbeitsaufträge, die das Haus für mich bereithält. Ich tue, was mir vor die Füße fällt. Irgendwann bin ich komplett erschöpft. Nicht immer reicht die Energie noch für einen kleinen Wunschzutaten-Einkauf, und ich koche mir hungrig etwas Schnelles. Das Ergebnis ist immer gut, denn ich koche gut und gern. Nur finde ich, dass ich an solchen Wochenenden nach so viel Arbeit etwas Besonderes verdiene. Das ist es nicht immer. Und am Sonntagabend bin ich so semi-zufrieden. Das ist nämlich die Kehrseite der Nicht-Planung: Wenn ich mir nichts vornehme, steht am Ende kein Wow-Erlebnis.
Dieses Mal will ich das anders gestalten. Ich plane vor, Ja, ich!
Ein Wochenende für mich mit Plan? Ehrlich jetzt?
Ich gebe meinem Wochenende ein Gerüst, das mir gleichzeitig Struktur und Freiheit verleiht. Und ich verspreche mir, mich daran zu halten. Einige Eckpunkte trage ich gleich in meinen Kalender ein. Samstag will ich im Garten sein und Sonntag meinem Körper und meiner Seele Gutes tun. Viel Gutes.
Samstag in Haus, Garten und Nachbarschaft
Samstagvormittag ist Anne noch da, und an gemeinsamen Wochenenden bereitet sie traditionell Bircher Müesli zu, mit Matschbanane, Apfelstückchen und vielen Nüssen. Als sie weg ist, gehe ich in den Garten und mähe den Rasen. Es ist mild und nicht zu sonnig, und ich habe viel zu tun. Gehölze schneiden, Rosen schnüffeln, Stauden in ihre Grenzen verweisen. Regenfässer leeren, auswaschen und trocknen lassen. Darin hatten sich schon Mückenlarven gebildet. Die unangenehmen Nachbarn, mit denen ich mir eine Hauswand teile, sind nicht zuhause. Deswegen ist es mal wieder so richtig mein Garten, meine Atmosphäre, meine Ruhe, die ich genießen kann. Die unzähligen Vögel singen und tun lustige Dinge, und ich nehme mir immer wieder etwas Zeit, um ihnen zuzusehen und dabei etwas zu essen oder zu trinken. Ich habe mir einen großen Pott Bohnensalat vorbereitet und in den Kühlschrank gestellt. Davon esse ich immer wieder. Kochen ist heute nicht geplant.
Der einzige feste Termin ist am Abend. Meine Lieblingsnachbarin und ich sind bei einem anderen Nachbarspaar eingeladen. Zum Glück habe ich den Termin; so richte ich mich darauf ein, rechtzeitig aufzuhören. Ich habe genug Zeit, all meine Gartenutensilien zurückzuräumen und noch etwas zu essen. Fürs Duschen, Umziehen und Ruhen ist auch noch ein kleines Zeitfenster da. Auch wenn ich sehr müde bin, geht es mir richtig gut. Ich habe mich an meine Vereinbarungen mit mir selbst gehalten, das fühlt sich richtig gut an. Klare Anforderungen, klare Ausführung. Sollte ich auf meine alten Tage noch Struktur lernen?
Ich hole die Nachbarin ab und wir klingeln bei den anderen Nachbarn. Zu viert haben wir einen netten Abend, besprechen dieses und jenes, denken über gemeinsame Sanierungsmaßnahmen nach. Ein schöner Abschluss eines schönen Tages.
Sonntag, mein Fitness- und Wohlfühltag
Sonntag steht im Zeichen von Anspannung und Entspannung. Meine stetige Gewichtssteigerung bei Kieser (nicht mein Körpergewicht, sondern das an den Maschinen) macht mich neugierig darauf, wie ich mich beim Walken herausfordern kann. Bei meiner Wiesenrunde am Morgen will ich es nicht dem Zufall überlassen, wie hoch oder niedrig meine Geschwindigkeit letztendlich sein würde. Stattdessen kontrolliere ich, dass ich unter 11 min/km bleibe und komme zu meiner Freude sogar teils unter 10. Ich laufe mich leichtfüßig in ein kleines High, das ich sonst nur vom Joggen kannte, und bleibe auch bei steileren Anstiegen in meinem Tempo. Die Herausforderungen, die ich mir selbst stelle, bringen mich ordentlich ins Schwitzen, und ich stelle fest, wenn ich auf diese Art walke, fühlt es sich nicht wie ein Ersatz- oder Alte-Leute-Sport an, sondern richtig gut und amtlich. Mit einem Durchschnittstempo von 10,25 min/km auf fast sechs Kilometer bin ich äußerst zufrieden!
Nach einer Pause mit köstlichem Spätstück und etwas Ruhe geht es weiter, Gewichte bewegen bei Kieser. Auch dabei gefällt mir die Konsequenz, mit der ich es angehe. Ich gehe alle drei Tage hin und trage mir die Termine in meinen Kalender ein. Es ist so ein schönes Erlebnis, meine zunehmende Kraft zu spüren, dass es mir keine Mühe macht, bei meinem Vorhaben zu bleiben. Ich realisiere, dass auch die Steigerung der Walking-Geschwindigkeit vom Krafttraining beeinflusst ist.
Zur Belohnung und zum Abschluss fahre ich danach noch in den Hamam am Hafen. Auf dem Weg, im Bus, esse ich eine weitere Portion von meinem Bohnensalat, den ich mir in einem Thermosbehälter mitgenommen habe.
Ich war vor Ewigkeiten das letzte Mal im Hamam. Die Preise sind gestiegen, die Besitzverhältnisse haben sich geändert, meine Zehnerkarte gilt nicht mehr. Die neue Besitzerin zeigt sich kulant und schenkt mir einige Behandlungen, so dass ich nicht das ganze ausgegebene Geld wegwerfen muss. Finde ich toll!
Und dann kommt die Krone auf meinen Tag. Ach, es ist so ein sinnliches Erlebnis! Kaum können sich die Augen im dunstigen Raum orientieren, werde ich zu einem Marmorbecken geführt und mit Wasser begossen. Schon wartet die wunderbare Hitze des Steins auf mich, die mich ganz weich werden lässt, Fast zu früh werde ich abgeholt. Auf dem Stein könnte ich ewig liegenbleiben und durch die kleinen Fensterchen in der gewölbten und reich verzierten Decke des Raums in den blauen Sommerhimmel träumen. Ich weiß aber, dass nach mir eine Junggesellinnenparty dort stattfinden wird, für die alle Kräfte gebraucht werden. So ist noch genug Zeit für meine Behandlung. Zunächst werde ich mit dem wunderbar kratzigen Handschuh porentief rein geschrubbelt, dann bekommt mein Rücken eine herrlich entspannende Ölmassage. Als Letztes kommen die Seifenkissen. Keine Ahnung, wie die genau funktionieren, aber aus den luftigen Kissen gelangt Kernseifen-Wolkenschaum auf meine Haut, ich werde gewaschen und zum Schluss mit Wassergüssen abgespült. Ich kann mir noch die Haare waschen und einige Minuten auf dem Stein liegen, bevor die giggelnde Meute eintrifft. Im Ruheraum trinke ich den obligatorischen Tee und bereite mich wieder auf die Außenwelt vor.
Draußen laufe ich ich oberhalb der Landungsbrücken durch unbeschreibliches Wetter, alles sieht blitzblank, himmelblau und perfekt aus. Die Sicht ist in alle Richtungen ungetrübt. Ich will aber meine Bahn erwischen, weil ich hungrig bin und kochen will. Da nehme ich mir nicht mehr viel Zeit für Fotos. Im Vorbeigehen erwische ich ein paar Wahrzeichen.
Das tat so gut, das will ich wieder haben!
Es ist, zumindest seit langer Zeit, das erste Mal, dass ich mir einen derartigen Tag organisiert habe, so ganz ohne schlechtes Gewissen gegenüber sonstigen Haushaltsaufgaben. Ohne Wenn und Aber. Alles ist perfekt. Und ohne dass wir es geplant hätten, kommt meine Tochter nur eine S-Bahn später nach Hause als ich. Wir tauschen uns darüber aus, wie hungrig wir sind. Ich stürze mich zuhause an den Herd, und bald können wir uns gegenseitig bei Kartoffeln, Möhren und Broccoli vom Blech von unseren Erlebnissen und Gedanken berichten. Anne hatte auch eine richtig gute Zeit und freut sich, wieder zuhause zu sein.
Eine kleine Schlussbetrachtung
Ich denke, auch wenn wir erwachsen sind, haben uns Prägungen und Gewohnheiten aus unseren Ursprungsfamilien stärker im Griff als wir wahrhaben wollen. Meine Mutter ist strukturierter als für sie gut ist, finde ich. Da fällt eher ein heilsamer Waldspaziergang durchs Raster als eine Abheft-Aktion im Arbeitszimmer. So wollte und will ich nie sein, deswegen habe ich mich jahrzehntelang gegen zu viel Planung gewehrt. Sicher liegt auch meine Kreativität häufig im Clinch mit meiner angedachten Struktur, wie ich letzte Woche in meinem Artikel über den Big Five-Persönlichkeitstest feststellen durfte. Mittlerweile kann ich allerdings anerkennen und schätzen, dass ein gewisses Maß an Struktur und Planung sehr hilfreich ist.
Das wünsche ich dir auch
Vielleicht konnte ich dir mit meinem Wochenendbericht zeigen, wie schön und gesund es sich anfühlen kann, sich Zeit zu nehmen und einzuteilen. Möglicherweise bist du sowieso die Planerin, die gewohnheitsmäßig alles durchstrukturiert, aber hast du dir mal ein Wochenende nur für dich geplant, gestaltet und genossen? Und dich am Ende gefeiert für all die guten Ideen, die du entwickelt und umgesetzt hast?
Wo immer du stehst, es gibt immer noch Lernpotenziale, und so ein Wochenende ist ein Akt der Selbstfürsorge und der Körper- und Selbstliebe, von dem du lange zehrst. Ich glaube, es kommt auch aufs Selbermachen an. Auf Herausforderungen und Ziele, die zu erreichen anstrengend und schön zugleich ist. Und auf die Belohnungen und genug Zeit. Aufgetankt von einer solchen kleinen Auszeit im gewohnten Umfeld gehst du ganz anders wieder in deinen Arbeits-Flow.
Probiere es mal aus und berichte gern, was du gemacht hast. Ich freue mich drauf!
Liebe Silke,
so sollte ein Wochenende sein! Ich brauche auch eine ausgewogene Balance zwischen Struktur und komplett freier Zeit. Seit ich nicht mehr arbeite, habe ich deutlich mehr Freiheit und Freizeit.
Was großartig ist, aber ich brauche auch Struktur in meinen Tagen, sonst lasse ich alles schlörren. Aber es ist ein schönes Gefühl, die Struktur selbst bestimmen zu können. Oder mal spontan über den Haufen zu werfen. So war es bei mir nämlich am Wochenende. Da der Sonntag so verregnet war, hab ich ihn morgens ganz spontan zum Hausfrauentag erklärt und mir den Montag zum Sonntag gemacht.
Hamam ist eine gute Idee. Das könnte mir auch mal gut tun.
Liebe Grüsse
Britta
P.S. Deine Teichrosen sind aber sowas von schön. Toll
Liebe Britta,
„Schlörren“ ist ein tolles Wort, und selbsterklärend.
Den Montag zum Sonntag machen halte ich für eine grandiose Idee, gerade wenn der Sonntag nichts Sonntägliches hergibt.
Danke für deinen freudigen Kommentar, ich freue mich!
Liebe Grüße
Silke
Liebe Silke,
das klingt nach einem ganz wunderbaren Wochenende! Leider geht mir es strukturtechnisch ähnlich wie dir, sie fehlt allzu oft. Danke also für diesen kleinen Schubser. Ich probiere es einfach mal aus.
Liebe Grüße Irina
Liebe Irina,
ja, das war wunderbar und wohltuend, das Wochenende.
Ich kann dich nur ermuntern, dir auch so etwas zusammenzustellen. Vor allem bin ich so gar nicht der Schaumbad- und Duftkerzen-Mensch.
Berichte gern mal, wenn du es getan hast.
Liebe Grüße
Silke