Auf einer bunten gehäkelten Wolldecke sitzt ein brauner, ebenfalls gehäkelter Teddy in Cordhose, Pullover und Jackett.

Eine Handarbeitserinnerung und wie sie mich (nicht) beeinflusst

Handarbeitserinnerungen – nichts, worüber ich üblicherweise so viel nachdenke, aber der Aufruf zur Blogparade von Anja Dix: Eine Handarbeitserinnerung, die mich beeinflusst hat. ändert das schlagartig. Ich bin selbst gespannt, wohin uns dieser Artikel führt.

Handarbeitserinnerungen aus der Schule

Plötzlich bin ich wieder in der dritten Klasse und muss stricken

Bei Anja Dix’ Frage nach einer lebensverändernden Handarbeitserinnerung kam mir sofort Fräulein Geib, die damals schon uralte Handarbeitslehrerin meiner Grundschule, in den Kopf. Selbst in meiner Schulzeit war es nicht mehr wirklich üblich, unverheiratete Frauen, besonders jenseits einer gewissen Altersgrenze, als Fräulein anzusprechen. Sie aber wollte das. Sie war eine Handarbeitslehrerin, wie man sie sich vorstellt. In ihrer eigenen Welt, hager, unnachgiebig, und schon ein wenig vergesslich. Zu meiner Schulzeit wurde noch mit Matrizendruck gearbeitet. Ich fühle heute noch das glatte Papier mit den unregelmäßigen, blau-violetten Buchstaben, auf dem wir unsere Handarbeitsanleitungen bekamen.

Fräulein Geib kam in die Klasse und gab die erste Ladung Anleitungen raus. Sie war sehr streng, und wir hatten alle ein bisschen Angst, sie würde uns beim kleinsten Fehlverhalten mit ihren Stricknadeln stechen. So versuchten wir zuhause, die Anleitungen zu verstehen. Meine Mutter und meine Großmutter, beide sehr handarbeitserfahren, rätselten lange, bis sie die Anleitung erschlossen hatten. Eine von beiden strickte mir dann das Musterstück. Als Anfängerin hätte ich das nie geschafft. Im Laufe des Schuljahrs wurde es immer einfacher mit den Mustervorlagen, und am Ende, nach Rechts-Links-gerippt, kam dann ein glattes Strickstück. Im Nachhinein vermute ich, Fräulein Geib ist der Anleitungsstapel hingefallen und sie hat ihn in der falschen Reihenfolge sortiert und dann verteilt. Das hat mich nachhaltig verunsichert, und ich dachte lange, ich kann nicht handarbeiten.

Nähen in der Mittelstufe – uff!

Ein anderes Handarbeitsfach, zu dem ich einen schwierigen Zugang hatte, ist das Nähen. Ich war sowieso eher die, die im Werkunterricht für alle mit dem bloßen Arm eimerweise Papiermaché anrührt, aber ich glaube, ich musste auch ein Minimum an Handarbeiten lernen. Es war Nähen. Meine Freundin Karen und ich kauften uns Stoffe für Schürzen, die wir gegensätzlich paspelieren wollten. Meine Schürze war lila mit türkisen Bändern, ihre umgekehrt. Das habe ich noch fertigbekommen mit Hilfe meiner Mutter. Als nächstes kam dann eine Bluse dran, richtig mit Kragen. Ich habe keine Erinnerung daran, was mit der Bluse passiert ist. Ich habe sie jedenfalls nicht genäht! Auch das bekräftigte mich nicht wirklich in dem Glauben, ich könne handarbeiten.

Ein violetter Stoff mit einer türkisfarbenen Tasche, Teil einer Schürze aus früherem Nähunterricht.
Die Schürze gibt es noch.

Häkeln in der zehnten Klasse

Fast vergessen, bei Fräulein Geib haben wir auch gelernt, Topflappen zu häkeln, das hat mir Spaß gemacht. Ich habe dann noch einige andere Dinge gehäkelt. In der zehnten Klasse hat es mich dann richtig gepackt. Mit meiner Freundin Heike häkelte ich eine Decke. Häkelten wir beide jeweils eine Decke aus dem gleichen Material. 22 Farben hat sie, und ich liebe sie heute noch. Leider ist sie, wie so vieles in den Siebzigern, aus vollständig synthetischem Garn. So ist sie schön anzusehen, fühlt sich aber nicht gut an.

Über einen Sessel ist eine gehäkelte Decke so drapiert, dass möglichst viele der 22 verarbeiteten Wollfarben zu sehen sind.
Alles so schön bunt hier

Stricken in der Oberstufe

In den letzten Jahren meiner Schulzeit waren wir so rebellisch, mit einem Handarbeitskorb in die Schule zu gehen. Meine Strickleidenschaft war entfacht, ich produzierte ellenlange Schals, riesige Pullover mit Jacquard-Muster und eine ganz tolle Jacke mit wunderschön filigran gemusterten Ärmeln. Ich erinnere mich noch an die passenden Fingerhandschuhe dazu, bei denen ich mir einen Ring auf die Ringfinger strickte.

Auf die Werke dieser Zeit bin ich richtig stolz. Ich strickte unermüdlich und viel. Ein geringelter Pullover mit Rollkragen in den Siebzigerfarben Rehbraun, Gelb und Orange liegt noch bei meiner Mutter.

Handarbeitsentfesselt nach den ersten Rückschlägen

Die Pflicht-Erfahrungen mit Handarbeiten in der Schule haben meine Lust zum Selbermachen nicht befeuert. Offenbar war meine kreative Ader so stark, dass der Wunsch, etwas anzufertigen, siegte, und ich habe mich wieder und wieder an Kleidungsstücken versucht. Als junge Erwachsene strickte ich mir selbst entworfene, wunderschöne Pullover aus Mohairwolle. Als ich Mohair und andere haarige Garne wie Angora nicht mehr vertrug, verkaufte ich sie alle und war ein bisschen genervt.

Abbringen konnte mich das nicht wirklich. Nähen ist nicht meine größte Begabung, zu glatten Nähten bringe ich es schon. Es sind Tischdecken und Vorhänge entstanden. Meine Tochter ist da viel weiter fortgeschritten als ich.

Meine Lieblings-Handarbeits-Techniken

Ich bin eine Nadelkünstlerin und mag sehr gern stickend, häkelnd, strickend Garn verarbeiten. Bei meiner Mutter liegen viele Kunstwerke herum, ein gesticktes Weihnachtsdeckchen, ein kunstvoll gestricktes, hauchfeines Tuch mit einem Muschelmuster. Und natürlich Topflappen. Könnte ich auch mal wieder häkeln. Was mich manchmal davon abhält, Kleidungsstücke fertigzustellen, ist das Berechnen von Ausschnitten für Hals und Arme. Da hängen noch mindestens zwei Teile in der Pipeline, die der Fertigstellung harren. Vielleicht diesen Winter.

Meine ganz besonderen Projekte

Die Liebe zu meiner Tochter hat zwei Handarbeitsprojekte maßgeblich beeinflusst, die ich dir vorstellen möchte. Beide Werke erzählen ihre ganz eigene Geschichte. Und ein drittes besonderes Projekt ist der Teddy für einen lieben Freund.

Die Babydecke

Während meiner Schwangerschaft ging es mir so gut wie nie vorher oder nachher in meinem Leben. Lediglich in den letzten Wochen konnte ich nicht mehr lange schlafen, weil ich so starkes Sodbrennen hatte. Ich setzte mich dann auf mein Sofa und verstrickte Naturgarn. Morgens um vier, fünf Uhr ging es los, einfach kraus rechts. Während ich darauf wartete, dass sich mein kleines Seepferdchen, so hieß sie im Mutterleib, auf den Weg machte, verstrckte ich alles, was ich dachte, fühlte, träumte. In der Decke sind ein paar Fehlerchen und ein nicht entfernbarer Fleck von einer Tinktur. Der Decke tut das keinen Abbruch, sie liegt nach wie vor bei meiner Tochter im Zimmer und wärmt sie zum Beispiel auf der Rückenlehne ihres Bürostuhls.

Eine naturfarbene Wolldecke liegt auf einer Decke mit geblümten Bezug.
Verstrickte Vorfreude

Die Designerjacke

Als mein Töchterlein gerade mal sechs Jahre alt war, entschied ich mich zu einem Hüftgelenksersatz. Zwei Kindergartenmütter, die gesehen hatten, wie mühsam und schmerzvoll ich mich durch die Gegend schleppte, hatten mich immer wieder bearbeitet und mir versichert, es würde sich betreuungsmäßig alles regeln lassen. Tat es auch, die beiden nahmen, im Wechsel mit Annes Vater, mein Kind für die gesamte Zeit des Krankenhausaufenthalts und der Reha zu sich. Am Anfang ging das noch einigermaßen, und dann wurde Anne immer trauriger, weil ihre Mama nicht da war.

Ich hatte mir Wolle von zuhause mitbringen lassen und strickte. Eine sehr schöne Jacke, aus weichem rosa Kaschmirgarn. Ich bestickte und behäkelte sie mit Blumen. Bei einem von Annes Besuchen bei mir war die Jacke fertig. Die Mutter, die Anne ganz zuletzt hatte, erwähnte die Jacke und sagte, Anne zöge sie Tag und Nacht nicht mehr aus, und ich freute mich, dass meine Handarbeit so gut ankam. Ich hörte die andere Mutter stutzen, und sie fragte: „DIESE Jacke hast du selbst gemacht? Ich dachte immer, das wäre ein sauteures Designerteil!“. (Leider finde ich im Moment weder die Jacke noch ein Foto davon. Sollte sich das ändern, reiche ich ein Foto nach).

Der anglophile Teddy

Zum 80. Geburtstag meines alten Freundes Hans sollte es ein besonderes Geschenk sein. Hans war wohlhabend, bescheiden, und alles, was er brauchte, hatte er schon. Er sammelte leidenschaftlich Steiff-Teddys. Darüber wusste ich zu wenig, als dass ich ihm den passenden Bären häte aussuchen können. Und dann kam mir die Idee mit dem Selbermachen! Hans liebte England und Schottland, und man sah ihn meist in Breitcordhosen, dünnen Kaschmirpullovern und einem Tweed- oder ähnlichen Jackett, gern mit Flicken auf den Ellbogen und einem Schal dazu. Ich besorgte Tweedwolle, verhäkelte sie mit passendem Mohairgarn zu einem Teddybären, den ich mit einer Breitcordhose, einem Wollpullover und einem typischen Hans-Jackett einkleidete. Meine Tochter strickte noch einen Schal, und der Teddy war komplett. Er ist ein wenig unproportioniert, was seiner großen Ähnlichkeit mit Hans keinen Abbruch tut.

Ein gehäkelter Teddy mit beigefarbener Cordhose, einem türkisen Pullover, einem grauen Fischgrätblazer und einem hellgrauen Schal
Mein Freund Hans als Teddy

Zum Schluss

Ich bin sehr froh, dass ich meine gruseligen Grundschul-Handarbeits-Erfahrungen bei Fräulein Geib überwunden und zur Handarbeitsfreude gefunden habe. Es ist so toll, sich selbst und anderen wollige Teile zu stricken oder zu häkeln. Allein diese Fertigkeiten zu haben und zu wissen, ich kann damit alles gestalten, was ich will, das macht mich froh.

2 Kommentare zu „Eine Handarbeitserinnerung und wie sie mich (nicht) beeinflusst“

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